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Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)

Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)

Titel: Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Autoren: Robert J. Jesse
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    Die Prinzessin aus Maladan
    Schwarzenberg, Frühsommer 2513
     
    Es war ein sehr milder Morgen. Die Vögel sangen ihre Lieder und die Menschen gingen wie immer ihrem Tagewerk nach. Niemand nahm Notiz von dem dreizehnjährigen Jungen, der, an eine Mauer gelehnt, auf etwas zu warten schien. Tankrond sah die Straße hinunter. Eine innere Unruhe hatte ihn mit einem Mal erfasst, obwohl er seit nunmehr fünf Jahren nichts sehnlicher herbeigewünscht hatte als eben diese Stunde. Doch nun fühlte er eine Unsicherheit in sich aufsteigen, die ihn fast zu erwürgen drohte, und sein Mund wurde ganz trocken.
    Würde sie sich überhaupt noch an ihn erinnern?, schoss es ihm durch den Kopf. Sicher hatte sie Wichtigeres zu tun, als sich an das Versprechen zu halten, das sie sich bei ihrem letzten Zusammentreffen gegeben hatten. Wie ein Stein lag das Gefühl in seinem Magen, welches ihm sagte, dass er für sie einfach nicht mehr von Belang sein konnte, denn sie war eine Prinzessin aus dem Hause der Vanäer und er nur der Ziehsohn eines einfachen Händlers. Er wusste trotz seines Alters, dass es sich für die Prinzessin nicht geziemte, sich auch nur kurz mit ihm abzugeben. Doch bei ihrem letzten Besuch hatten sie sich jeden Abend zur zwölften Stunde hinter den Ställen der Burg von Schwarzenberg getroffen. Sie hatten herumgealbert und auch ernste Gespräche geführt, bis die Prinzessin kurz vor Sonnenaufgang wieder zurück in ihr Gemach musste, damit niemand ihr Fehlen bemerkte.
     
    Noch heute waren jene vier Tage im Sommer 2509 für Tankrond die erfülltesten seines bisherigen Lebens. Gerne erinnerte er sich daran, denn er wusste, dass jene Tage auch die ersten gewesen waren, an denen er nicht mehr immer an seine Eltern denken musste wie an all den vielen Tagen zuvor. Sein Vater und seine Mutter waren bei einem fürchterlichen Unglück ums Leben gekommen. Damals lebten sie noch an den Fernen Gestaden, wie die Menschen der Thainlande den Ort seiner Kindheit nannten. Weit nördlich des Erzbaches in dem Dorf Felgur war er geboren und aufgewachsen. Doch die Erinnerung an jenen Ort verblasste langsam immer mehr in seinem Gedächtnis, weswegen er große Schuldgefühle hatte. Manchmal konnte er sich nicht einmal mehr richtig an die Stimmen seiner Eltern erinnern. Nur der Tag des Unglücks hatte sich tief in seine Erinnerungen eingebrannt. Oft wachte er des Nachts schweißgebadet auf, wenn er davon träumte.
     
    Jener Tag hatte seinen Anfang wie jeder andere genommen. Nach dem Frühstück war er wie gewohnt zum Ammenberg gelaufen, welcher nur einige Hundert Schritte von seinem Vaterhaus entfernt lag. Dort trafen sich die Kinder des Ortes, um an den gras- und baumbewachsenen Hängen zu spielen. Da der Ammenberg sehr zerfurcht war, gab es lediglich an seinen unteren Hängen einige Gärten der Dorfbewohner. Weiter oben jedoch hielten sich die Erwachsenen fast nie auf, weshalb die Kinder hier einen vortrefflichen Ort für ihr Spiel fanden. Tankrond hatte damals schon etwas über die Hälfte des Weges zurückgelegt, als er durch ein seltsames Geräusch in seinem Marsch gestört wurde. Als er sich umdrehte, um nach der Ursache des Geräusches Ausschau zu halten, konnte er nicht fassen, was sich dort vor seinen Augen abspielte. Das Ziegengewann, der große Hügel, an dessen Ausläufern auch sein Elternhaus stand, rutschte einfach ab und stürzte auf das kleine Dorf zu. Noch immer sah Tankrond manchmal in seinen Träumen, wie die Masse an Erde und Grassoden dem Dorf entgegenrutschte. In jenen Augenblicken empfand er jedoch keine Angst, sondern nur Verwunderung. Er konnte damals einfach nicht begreifen, wie so etwas geschehen konnte. Erst als die Schlamm- und Erdmassen wieder zur Ruhe kamen, wurde ihm bewusst, dass ein fürchterliches Unglück geschehen war. Er konnte sein Elternhaus nicht mehr erkennen, es war einfach fort! Und auch die Häuser ihrer Nachbarn standen nicht mehr an ihrem Platz.
    Dann hörte er die ersten Schreie und das Weinen von Kindern. Doch er hatte nur noch Augen für den Platz, an dem zuvor noch sein Elternhaus gestanden hatte. Er meinte erkennen zu können, dass aus dem Schlamm noch dessen Haustür ragte. Doch auf diese Entfernung war das nicht mit Sicherheit zu sagen. So ging er den Hohlweg zurück hinunter ins Dorf – oder zu dem, was von diesem noch übrig war. Wie in Trance, alles um sich herum vergessend, kämpfte er sich durch die weichen Schlamm- und Geröllmassen, die ihn am Vorankommen hinderten. Als er die aus
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