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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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Horst-Wessel-Straße,
     aus dem Hausmeister wurde der Facility Manager.
    Würde man die Stadt, in der ich wohnte, bald umbenennen? Würde ich selbst bald umbenannt werden, da mein Nachname irgendwann
     irgendwem zu sperrig klang? Überall, dachte ich, wird das Unwirsche, das Untüchtige, das Zornige abgeschafft, was mir, da
     ich mich auch in mancherlei Hinsicht, wenn auch nicht auf des Hausmeisters Weise, als unwirsch, untüchtig und zornig dachte,
     ganz und gar empörend erschien. Ganz langsam zunächst, aber dann doch, wie man im Nachhinein ja auch sieht: sehr zielstrebig,
     wurden, sagte ich mir, die kleinen Fluchten des Alltags, die Nachlässigkeiten, der menschliche Makel aus unserem Leben verbannt.
     Ich rauchte und sollte in bald keiner Kneipe mehr rauchen dürfen. Ich mochte es eher dunkel und verwegen, dachte mir die Stadt
     immer als einen Ort des Abenteuers, in dessen Seitenstraßen die schönsten Mätressen warten, da tauchten auch schon die hell
     erleuchteten, jede Ahnung eines Schattens vernichtenden Einkaufszentren auf, die alles Zwielichtige immer und überall zerstörten.
     Ich begriff mich als höflichen, eher zurückgenommenen Menschen, |212| doch es schlug mir nicht selbstverständliche Höflichkeit entgegen, sondern allerorts jene berüchtigte Service-Sprache, das
     laute, jeden empfindsamen Menschen erschreckende »Aber gerne!«, wenn man sich einen Kaffee bestellte, das beständige, jedes
     gesunde Maß überschreitende Wünschen eines schönen Tages sogar an der Frittenbude, in der neuerdings auch noch gelächelt wird,
     usw.
    Die Leute, dachte ich, die sind so, die wissen es nicht anders. Die denken, ist doch schön, wenn ich nicht mehr Journalist,
     sondern Content Manager heiße. Ist doch schön, wenn ich nicht mehr Vermögensverwalter heiße, sondern Asset Manager und ab
     jetzt lächle, wenn’s der Chef mir sagt.
    Alles Ständische und Stehende verdampft. Rosi’s Haarstudio, das die alten Damen meiner Straße mit ihrem Gehstock immer in
     lustig anzuschauendem holprigem Eifer aufsuchten, war, wie mir nun einfiel, kürzlich einem windigen Händler gewichen, der
     den jüngeren Bewohnern der Gegend, was die älteren aufs äußerste verwunderte, ganz und gar gewöhnliche, aber etwas abgenutzte
     Möbel aus den 60er und 70er Jahren als Antiquitäten verkaufte. Asiaten, die Sushi servierten, verdrängten nach und nach die
     Türken mit ihrem hochkalorischen Döner. Die Welt ist freundlicher geworden, heller, glatter und gesünder, während ich immer
     älter (Mitte dreißig), faltiger (unter den Augen) und mürrischer (morgens) werde.
    Das ist nicht gut, sagte ich mir jetzt, sich in die Dinge so hineinzubohren. Übertreib nicht!, sagte ich mir noch und war
     schon auf dem Weg in meine Wohnung, um, trotz der Kopfschmerzen, frühmorgens meine Schreibtätigkeit wiederaufzunehmen. |213| Da aber auch der Ekel eine, wenngleich verderbliche Anziehungskraft hat, machte ich noch einmal kehrt und stellte mich wieder
     vor den Aushang, murmelte Facility Manager und empfand die ganze Niedertracht der Immobilienfirma, die gewiss nicht nur dieses
     Haus, sondern den ganzen Straßenzug aufgekauft hat, wenn nicht die halbe Stadt, um überall die untüchtigen Hausmeister zu
     entlassen. Ich sah die Angestellten der Immobilienfirma, wie sie mit hässlich zuckender Oberlippe vor ihren Listen saßen.
     Wie sie mit Lineal und Rotstift fein säuberlich die untüchtigen Hausmeister wegstrichen, hier Herrn Hammerschmidt wegstrichen
     und da Herrn Mayer wegstrichen. Ich sah meinen Namen auf einer der Listen. Fein säuberlich wurde er unter höhnischem Gekicher
     weggestrichen von einem der Angestellten.
    Ich entsinne mich nicht mehr, wie lang ich noch vor der Vitrine stand auf derart entrückte Weise und mich in die Dinge so
     schadhaft hineinbohrte. Ich weiß aber noch, dass ich manchmal den Entlassenen vor dem Hauseingang oder Hausflur noch traf,
     keineswegs gramgebeugt war er, wie ich vermutet hatte, noch immer in einen Blaumann gekleidet und, ganz wie vormals, mit dem
     in seinem Berufstand üblichen unverschämten Gesichtsausdruck.

|214| 2 FREUNDLICHKEIT
    G ünstig war der Flug, der mich und die Frau, die mich gut kennt, im letzten Sommer nach Barcelona brachte. Wären die Hitze
     und die architektonischen Entgleisungen Antoni Gaudís nicht gewesen, die daran erinnerten, dass man sich tatsächlich in Barcelona
     befand, man hätte meinen können, wir wären gar nicht verreist. Die Trams waren von derselben
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