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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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ihn definitiv auf andere Gedanken.
     Und machte es nicht auch einen recht lässigen Eindruck? So frei! Andere verfolgten ihre angepasste Karriere. Nicht Stephan
     Karst. Andere rackerten sich zu Tode, bis der Herzinfarkt sie ereilte. Nicht Stephan Karst. Alle waren spießig. Nur er nicht.
     Während andere vor ihren Notebooks einen steifen Rücken bekamen, warfen ihm Frauen schmachtende Blicke zu. Er lächelte entrückt.
    Diese Frau, ja, auf ihr konnte Stephans Auge sich eine Weile ausruhen. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, bemerkt zu
     haben, dass sie das Café betrat. Wie in Zeitlupe, so schien es ihm jedenfalls, blickte sie zurück, sehr lange, als hätten
     sie einander schon immer gekannt. Dass es nur einer so winzigen Veränderung der Gesichtszüge braucht, um von größter Ernsthaftigkeit
     zu einem Lächeln zu gelangen, dachte Stephan verwirrt. Sie lächelte tatsächlich. Ein altes Wort fiel ihm ein: Anmut. Sie stand
     auf, es waren nur wenige Schritte, es schien ihm, ihr Gang sei ein Tanz, sie beugte sich über den Tresen, schwieg für einen
     Moment, sagte dann mit einer unbeschreiblich lasziven Stimme: »Rauchen darf man hier nicht?«
    Nun, man durfte es ausdrücklich nicht. Stephans Chef, im Einklang mit der Gesetzgebung, hatte es strengstens |204| verboten. Aber in diesem Fall! Stephan fand innerhalb kürzester Zeit die in der untersten Schublade entsorgten Aschenbecher,
     reichte ihr einen hinüber und sagte, seinerseits um Laszivität bemüht: »Nur, weil du es bist!«
    Wir wollen uns nicht darüber auslassen, dass Stephan Karst dieser Akt der Nonchalance in erhebliche Schwierigkeiten brachte,
     nicht nur war sein Chef Timo unplanmäßig vorbeigekommen und benahm sich, da er die rauchende Frau am Fenster sah, nun ja,
     sagen wir: lärmend. Auch waren andere Gäste, vor allem die Mütter (in die allergrößte Alarmbereitschaft versetzt wegen ihrer
     Kleinkinder) unter großen Protestbekundungen bereits an den Tresen getreten.
    Worauf es uns nur ankommt, ist eine kurze SMS, die unsere rauchende Frau, als sie sich mit dem Aschenbecher an ihren Platz
     gesetzt hatte, einer guten Freundin schrieb. Sie enthielt die grausamen Worte: »Ich rauche im Müttercafé. Wette gewonnen.«

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    |205| Leseprobe aus
     
     
    ADAM SOBOCZYNSKI
    GLÄNZENDE ZEITEN
    FAST
    EIN ROMAN

|207| 1 STOLZ
    V or wenigen Monaten wurde das Mehrparteienhaus, in dem ich eine Zweizimmerwohnung angemietet hatte, an eine, ich glaube, britische
     Immobilienfirma verkauft. Sogleich war der bisherige Hausmeister, ein untersetzter Mann, dem das Alter und der Alkohol zugesetzt
     hatten, entlassen worden. Er reparierte immer, sobald in der Wohnung etwas zu reparieren war, mit zumindest vorgetäuschter
     Emsigkeit, wenn man ihm eine Flasche Bier reichte. Rief man ihn zu Unzeiten an, gegen zehn Uhr abends etwa, da eine Sicherung
     durchgebrannt war, hielt er einen kurzen, aber zornigen Vortrag darüber, dass es in diesem Haus unüblich sei, Waschmaschine
     und Wasserboiler gleichzeitig in Betrieb zu nehmen. Und gar unüblich sei es, zudem noch zu staubsaugen, gerade zu dieser Uhrzeit,
     was die Stromleitungen vollends überlastet hätte. Dann tauschte er im Keller mit allen Anzeichen des Unmuts die Sicherung
     aus.
    Der Hausmeister war auf eine herausfordernde Weise untüchtig gewesen, wie aber, bei Lichte besehen, ja alle Hausmeister auf
     eine herausfordernde Weise untüchtig sind. Man klagte im Haus über Wasserrohre, die, trotz der unter allerhand Verwünschungen
     betriebenen Reparaturversuche, leckten, |208| über eine fehlerhaft eingestellte Zentralheizung und dergleichen mehr. Auch soll es vorgekommen sein, dass ein nur kleiner
     Schaden, der defekte Stromschalter in der Küche meiner Nachbarin, der ältlichen Frau Hansen, durch einen wütenden Einsatz
     des Hausmeisters überhaupt erst sich zu einem ganz bedenklichen Schaden auswuchs, so dass unter anderem der Strom des gesamten
     Hauses über Stunden ausfiel.
    All dies aber schmälerte des Hausmeisters Selbstgerechtigkeit keineswegs, sondern befeuerte sie, wie mir schien, nur noch.
     Auf einen Missstand oder eine seiner Liederlichkeiten angesprochen, erwiderte er knapp, das sei ein altes Haus, die Miete
     sei niedrig, oder er sagte: Das gehört so. Als sei es nicht irgendeine Leistung oder zumindest Befähigung, die ihn zu seinem
     Stolz berechtigte, sondern einzig der Umstand, dass er eben der Hausmeister war, so wie einst Adlige keine Rechenschaft abgeben
     mussten
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