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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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über die Pracht ihres Standes, der Gottes Ordnung gemäß war.
    Diese völlig aus der Zeit gefallene Selbstgerechtigkeit, mit der er schlampig sein Werk verrichtete, rührte mich an. Vielleicht
     auch deshalb, da der Hausmeister gespensterhaft in die Gegenwart hineinragte als sozusagen verlebendigtes Museumsstück, wie
     eine Skulptur, die sich mit einem Mal regte nach langer Todesstarre, so kam er mir manchmal vor mit seiner im ganzen Haus
     verhassten Untüchtigkeit. Vollkommen beherrschte er die Kunst, ganz ohne Verdienst stolz zu sein.
    Ganz früh morgens muss es gewesen sein, gegen acht (ich hatte kurz und schlecht geschlafen und wollte nur die Zeitung aus
     dem Briefkasten nehmen), dass ich im Hausflur die Ankündigung |209| über die Entlassung des Hausmeisters und die Einstellung eines »Facility Managers« hinter einer Glasvitrine las, noch von
     Kopfschmerzen geplagt, da ein alter Freund, der erfolgreich etwas mit Kultur macht und den ich schon lange nicht gesehen hatte,
     mich am Vorabend besucht und zwei, zu meiner Verblüffung, gar nicht gute Flaschen Wein mitgebracht hatte.
    Lange hatten wir in der Küche gesessen, herumgeredet und die zwei unguten Flaschen Wein aus Südfrankreich geleert, wo er drei
     Wochen lang mit seiner Freundin einen, wie er erzählte, für die Beziehung aus mancherlei Gründen unförderlich langen Urlaub
     absolviert hatte. Doch sah er auf beinahe anstößige Weise erholt, gebräunt und erschlankt, aus, was man von mir nicht behaupten
     konnte, der ich in einer mühsamen Schreibarbeit verfangen war, einer endlos, wie mir schien, sich in die Länge hinziehenden
     Reportage, die mehrere Zeitungsseiten füllen sollte und die mir für zwei volle Wochen eine von allen mir ansonsten willkommenen
     Vergnügungen abgewandte Lebensweise aufnötigte. Womöglich, denke ich mir heute, war es diese mir aufgezwungene, von allen
     Vergnügungen abgewandte Lebensweise gewesen, die mir das Schreiben zu einer selten erlebten Qual machte. Schrieb ich mit größter
     Kraftanstrengung halb besinnungslos ein, zwei Absätze in der Nacht herunter, so entdeckte ich bereits am nächsten Morgen darin
     Ungereimtheiten, furchtbare Entgleisungen, die albernsten Grammatikfehler.
    Als größtmöglich denkbare Ausnahme von der Abgewandtheit waren der gerade aus Südfrankreich zurückgekehrte |210| Freund und ich nach den zwei unguten Flaschen Wein auch noch in eine jener Bars gegangen, in der das Rauchen noch geduldet
     wurde, weshalb an diesem Morgen das ohnehin schon schlechte Gewissen, das mich plagte, deutlich gesteigert und mit Kopfschmerzen
     angereichert war.
    Der Facility Manager, der den Hausmeister ersetzte und gleich für sehr viele Wohnhäuser im Viertel zuständig wurde, die der
     Immobilienfirma gehörten, sollte sich, ganz wie ich es, als ich vor der Vitrine stand, auch erahnt hatte, als ein junger,
     vielleicht etwas blasser, aber überaus zuvorkommender Mann entpuppen, der selbst gar nichts mehr reparierte und von dem man
     auch nicht wusste, wo er wohnte. Einmal nur, ganz kurz, sollte ich ihn sehen, da ein Abflussrohr im Badezimmer verstopft war.
     Er notierte, an der Wohnungstür stehend, mit dünnen Fingern das Übel und rief dann den entsprechenden Handwerksbetrieb an.
     Er lispelte leicht, wenn ich mich recht erinnere, was aber keineswegs unsympathisch klang. Effizienz, professionelle Verbindlichkeit,
     frischer Atem, sehnige Schlankheit waren jedenfalls an die Stelle der schwankenden Laune, der Willkür, des Übergewichts, der
     Bierseligkeit, des Zorns getreten.
    Frühmorgens, mit Kopfschmerzen und einem gesteigerten schlechten Gewissen, stand ich vor der Wandnotiz, und ich weiß noch
     ganz genau, wie sehr mich die Ankündigung der Entlassung des Hausmeisters, wie um mein Unglück zu vervollkommnen, in die allerentsetzlichsten
     Gedanken stürzte. Immer wieder las ich, was die Kopfschmerzen natürlich verstärkte, das Wort »Facility Manager«. Diese monströse
     Geschmacklosigkeit |211| der neuen Berufsbezeichnung, die schon dem Namen nach bereits die Vergänglichste und Überholteste war! Warum nur hat man den
     untüchtigen Hausmeister – nicht nur, dass man ihn entließ – auch noch umbenannt?, fragte ich mich, als ich vor dem Aushang
     stand. Weil es ein Gewaltakt ist, sagte ich mir. Weil Gewalt ja die Leute immer so befriedigt. Namen, die geändert wurden,
     zeugten immer von furchtbaren Verheerungen, aus St. Petersburg wurde Leningrad, aus der Poststraße die
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