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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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wollte sie wissen.
    »Doch. Aber ich bin nicht sicher, ob es mich etwas angeht«, erwiderte ich.
    Lenas Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, und sie wandte sich ab, um ziellos den Inhalt eines Regals auszuräumen.
    Ich wurschtelte mich durch das Chaos und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Traurig?«
    Sie hielt inne und wischte sich eine Träne von der Wange. »Ach, weiß nicht«, brummte sie und setzte sich auf die winzige Ecke des Schreibtisches, die noch nicht zugebaut war. »Dass Mama und Papa wieder zusammenkommen, kann ich mir wohl abschminken. Papa ist auch ganz deprimiert deswegen. Aber sie will ihn nicht mal sehen. Es ist das Gleiche wie vor unserer tollen Feier. Na ja, ich hätte es mir denken können. Ich hätte nur nicht geglaubt, dass sie sich so schnell nach etwas anderem umschaut. Ich meine, jetzt fällt unsere Familie auseinander wie ein trockener Sandkuchen. Jeder bröselt vor sich hin. Ich fühl mich so verdammt alleine.« Jetzt heulte sie hemmungslos.
    Ich nahm sie in den Arm. Meine Schulter wurde feucht von ihrer Tränenflut.
    ›Arme Süße!‹, dachte ich und wiegte sie ein bisschen hin und her. Klar ist sie erwachsen – weiß Göttin, ist sie das! –, aber sie kommt noch nicht so recht klar damit.
    Ich war ihr nicht mal ein winziges kleines bisschen böse darüber, dass sie sich so gar keine Gedanken um mich machte. Für sie spielte nur eine Rolle, dass es jemand anderer als ihr geliebter Papa war, der demnächst an Angelas Seite leben würde. Dass nicht ich es sein würde, daran verschwendete sie keinen Gedanken. Wahrscheinlich war diese Idee für sie auch zu absurd …
    So standen wir eine Weile an ihren Schreibtisch gelehnt, bis Lenas Schluchzer immer seltener wurden.
    »Willst du einen Tee und Kuchen?«, schniefte sie.
    Ich musste über ihre Art der Selbsttröstung schmunzeln. Und während wir in der Küche saßen – in derselben, in der ich mit Angela dieses köstliche Essen zu mir genommen hatte, in der Angela nach unserem innigen ersten Kuss wie verrückt herumgewütet hatte – und Kuchen aßen, sah ich Lena immer wieder an. Ihre wunderschönen schwarzen Augen, die dichten Brauen, den leicht schmollenden Mund. Sie war eine einzige Versuchung. Doch nach einer halben Stunde stand ich auf, ohne auch nur mit einem Wort geflirtet zu haben. Es war etwas anderes, wonach ich suchte.
    Als Lena schließlich aufstand, um weiterzupacken, ging ich kurz hinüber ins Wohnzimmer. Loulou hatte sich hier auf den weichen Teppich gelegt und schnarchte friedlich. Ich streichelte sie selbstvergessen, und sie drehte sich grunzend auf den Rücken, damit ich ihren Bauch kraulen konnte. Ich saß ein paar Minuten da und starrte in das überquellende Bücherregal, aus dessen Front mich ein Buchrücken besonders anzog. Als ich danach griff, erkannte ich sofort das Buch über Neuseeland, das Angela mir bei meinem letzten Besuch hier gezeigt hatte. Es klappte an der oft aufgeschlagenen Seite der wunderschönen Fotografie auseinander. Lange saß ich neben Loulou auf dem Boden und betrachtete das Bild. Ich glaubte, den aufsteigenden Nebel wie einen feuchten Film auf meinem Gesicht zu spüren, glaubte, das Meer zu riechen und die Bäume rauschen zu hören. Erst ein Geräusch an der Tür ließ mich auftauchen aus diesem Traum. Dort stand Lena mit den Arm voller Kleidung und sah mich hilflos an.
    »Zeit zum Schlafengehen für Loulou«, sagte ich entschlossen und sprang auf. Es war spät. Aber natürlich nicht für eine Samstagabendverabredung. Angela würde vielleicht erst in drei oder vier Stunden heimkommen. Vielleicht gar nicht. Mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Verlieren werd ich dich doch nicht, oder?«, fragte Lena unvermittelt.
    »Quatsch«, sagte ich, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und ging die Treppe hinunter.
    ›Das letzte Mal diese Stufen?‹, fragte ich mich bei jedem Schritt.
    Zu Hause machte ich mit Loulou noch eine Runde um den Block und beschloss, ins Bett zu gehen.
    Es war Viertel vor zwei, als es an der Tür schellte.
    Loulou knurrte.
    »Nette Eltern hast du!«, grummelte ich, während ich mich aus dem Bett hievte. »Ich hab zwar gesagt, wenn es nach zwei wird , sollen sie nicht mehr schellen. Aber diese Viertelstunde hätten sie sich jetzt wirklich schenken können.«
    Ich tappte barfuß in meinem Schlafshirt und Boxershorts zur Tür und wunderte mich, dass die beiden noch nicht vor dem milchigen Glas der Wohnungstür standen. Also betätigte ich den Drücker, und unten wurde
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