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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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erzählt habe. Es spielt zur Zeit der Französischen Revolution und behandelt die Affäre zwischen zwei …«
    »Michelin?«
    »Ja?«
    »Ich weiß, dass du seit geraumer Zeit auf dem Trip bist, lieber zu lesen als zu tanzen, lieber zu lächeln als zu lachen und lieber zu meditieren als zu vögeln. Aber heute ist mal mein Trip dran. Okay? Und ich will auf den Schwof.« Jackie war gnadenlos. Wir hatten uns einmal, vor langer Zeit, gegenseitige Unterstützung versprochen, wenn es sich um lebensnotwendige Erfüllung gewisser Grundbedürfnisse handelte.
    Jackie hatte ganz und gar andere Bedürfnisse als ich. Und gerade im Moment kamen die besonders stark zum Tragen, denn Jackie war genau wie ich seit einem Jahr solo und sie hatte diesen Zustand vollkommen satt. Sie betrachtete unsere ähnliche Lage der Partnerinnenlosigkeit viel pragmatischer als ich. Ich träumte von einer wunderbaren Begegnung auf einer Waldlichtung oder in den Dünen eines holländischen Strandes. Dabei spielten Romantik, tief schürfende Gespräche, funkenschlagende Blicke und sanfte Flüstereien eine entscheidende Rolle.
    Jackie dagegen zog seit Wochen durch die Szeneläden und flirtete auf Teufel komm raus mit jeder blonden Pagierten, die dem Idealbild von ihrer Traumfrau nah genug kam. Sie wollte keine Gelegenheit auslassen, dort zu sein, wo sich viele Frauen trafen und wohin sich womöglich auch ihre nächste Liebe gesellen würde. Die Vision, eine umwerfend charmante, kluge, wunderschöne und unverständlicherweise momentan allein lebende Frau könne eine Party oder einen Schwof besuchen und auf ihrer Suche nach einer geeigneten monogamen Langzeitpartnerin Jackie um Haaresbreite verfehlen, verursachte meiner Freundin Albträume.
    Daher stürzte sie sich bei jeder Gelegenheit ins Gewimmel, sondierte das Gelände und trieb sich unauffällig auffällig stets in der Nähe von infrage kommenden Kandidatinnen herum. Für eine Fatalistin wie mich war das eine ziemlich dumme Methode. Denn wenn ich eben jener Frau, von der ich durchaus auch hin und wieder träumte, begegnen sollte , dann würde ich es auch. Selbst wenn ich es gar nicht wollte. Auch im hohen Norden oder daheim in meinen eigenen vier Wänden würde ich diesem Schicksal nicht entgehen können. Dazu musste ich meine Abende nicht in stickigen Räumen mit viel zu lauter Musik verbringen.
    »Du kennst meine Meinung dazu, Jackie. Und ich lasse mich von dir auch nicht erpressen. Aber weißt du was? Ich komme trotzdem mit!«, erklärte ich ihr gut gelaunt.
    »Wieso?«
    »Weil ich dich mag«, gab ich zu.
    »Göttin, rette mich vor so viel Liebe!«, maulte Jackie. Aber dann lachte sie.
    Die Wahrheit war: Ich hatte wirklich Lust darauf, mal wieder etwas anderes zu sehen als Kameras, Schnittstudios, Telefontasten und meinen Computer. Als Fernsehjournalistin mit eigener kleiner Produktionsfirma gab mein Alltag nicht immer den größten Anlass zur Fröhlichkeit. Fernsehen ist entsetzlich. Es verfälscht die Wahrheit wie kein anderes Medium, denn es gaukelt den Menschen vor, »alles mit eigenen Augen gesehen zu haben«. Emotionen werden geweckt, wo sie fehl am Platz sind, und abgestumpft, wo sie doch eigentlich wüten sollten. Meine Kollegin Frauke und ich hatten uns bei der Gründung unserer kleinen GbR vor zwei Jahren vorgenommen, etwas anderes, etwas Besseres zu fabrizieren. Wir wollten mit ehrlicher Haut erzählen, berichten und dokumentieren. Die Recherche für ansprechende Themen, die sowohl mit unseren hehren Ansprüchen als auch mit den Einschaltquoten konform gingen, verschlang unendlich viel Zeit und Energie. Und so hangelten wir uns mühsam von einem wohlwollenden Auftrag zum nächsten, immer an der Grenze zum Aufgeben. Etwas abendliche Abwechslung von diesem momentan recht frustrierenden Versuch, eine bessere Welt zu schaffen, wäre also gar nicht so übel.
    Um Punkt zehn Uhr abends quäkte auf der Straße vor dem Haus, in dem ich wohnte, die klägliche Hupe von Jackies schrottreifem Wagen.
    Ich hatte natürlich bis zur letzten Sekunde in meinem neuen Buch gelesen und nicht einen Gedanken an mein Styling verschwendet. Also nahm ich mit einem Achselzucken meine Jeansjacke vom Haken, zog sie über mein bunt geringeltes, aber wenigstens sauberes T-Shirt und verließ in hellen Leinenhosen und ausgelatschten Turnschuhen das Haus.
    Jackie küsste mich zur Begrüßung nicht auf die Wange, hielt mir aber ihre hin. »Mein Lippenstift verschmiert sonst«, war ihr Kommentar.
    Sie hatte sich mit
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