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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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vergangenen Wochen nichts geschehen.
    Doch nur für jene, die mich nicht kannten, die nur meine Schale betrachteten und denen dieser Anblick reichte, um festzustellen, ich sei wieder ganz die Alte. Diejenigen, die mich kannten, sahen mich an und schüttelten den Kopf.
    Ich erklärte ihnen, es sei vorübergehend Winter geworden auf der Alm. Zum ersten Mal, seit ich dort weilte, lag Schnee, gingen Stürme um und wiegten sich die großen Bäume kahl im kalten Wind.
    Und das im beginnenden Hochsommer!
    Als ein Tag nach dem anderen herabtropfte, fielen auch die Temperaturen in meinem Innersten.
    Sie hatte versprochen, sich zu melden. Doch kein Anruf erreichte mich, kein Brief, nicht mal eine E-Mail.
    Das Wochenende drohte mir mit seiner Leere.
    Ich machte keine Pläne. Während alle Verabredungen fürs Freibad trafen, wollte ich gar nichts anderes, als in meiner Wohnung sitzen und auf die verschneite Winterlandschaft der Alm schauen.
    Am Samstag las ich ein Buch und versagte kläglich bei dem Versuch, mir anschließend seinen Inhalt noch einmal klar vor Augen zu führen.
    Also schlurfte ich in die Küche und sah in den Kühlschrank. Ich hatte morgens pflichtbewusst diverse leckere Sachen eingekauft. Aber so sehr mich auch Pudding, Obst und Süßkram anstrahlten, ich seufzte nur und belegte mir lustlos ein Brot mit ordinärem Käse. Irgendetwas musste ich ja essen.
    Es schellte. So spät noch Besuch?
    Als ich zur Tür ging, klopfte es von außen bereits an die Scheibe. Es waren Frauke, Lothar und Loulou.
    »’n Abend. Warum habt ihr nicht den Schlüssel benutzt?«
    »Hi, Babe, wir wollten nicht so reinplatzen. Man weiß ja nie …«, begrüßte Lothar mich, zwinkerte und gab mir einen dicken Schmatzer auf die Wange.
    Frauke scharrte ungeduldig auf der Fußmatte. »Hast du zufällig heute Abend nichts vor und willst zu Hause bleiben?«, fragte sie.
    Ich überlegte einen Moment, ob es mich befriedigen würde, vor den beiden auszubreiten, wie sehr dieser Abend mich deprimierte. Doch dann siegte meine Nächstenliebe, die ich für meine FreundInnen gemeinhin empfinde. Ich grinste Loulou an.
    »Loulou, das klingt ganz so, als würdest du den heutigen Abend bei mir verbringen. Was hältst du von einem uralten Western und extra Hundekuchen?« Loulou war natürlich begeistert.
    »Wir wollen zum Kulturbahnhof. Endlich mal wieder gemeinsam raus. Etwas tanzen und andere Tapeten sehen«, erklärte Lothar.
    »Frische Luft schnuppern«, setzte Frauke rasch hinzu und hakte sich bei ihrem Freund ein.
    »Dann viel Spaß«, wünschte ich ihnen. »Wenn es nach zwei wird, schellt bitte nicht mehr. Benutzt den Schlüssel. Und wenn es nach fünf wird, dann kommt bitte erst morgen früh. Loulou kann auch hier übernachten.«
    »Danke, Michelin, du bist ein Schatz!« Die beiden drehten sich herum und schritten einträchtig nebeneinander die Treppe hinunter.
    Da klingelte es plötzlich in meinem Kopf. Ich hängte mich übers Geländer und rief ihnen hinterher: »He, mir fällt gerade ein, dass ihr euch vielleicht einen anderen Schuppen aussuchen solltet. Heute ist im Kulturbahnhof ›Victor und Victoria‹. Ihr wisst schon, diese schwul-lesbische Veranstaltung.«
    »Wissen wir«, rief Frauke vom Treppenabsatz, und ich sah nur noch, wie ihre winkende Hand weiter unten verschwand.
    Das war ja ’n Ding!
    Verdattert trat ich den Rückzug in die Wohnung an. Loulou klebte an meiner Seite, und ich wollte schon gerührt sein über ihre zärtliche Anhänglichkeit, als mir bewusst wurde, dass ich immer noch die Käsestulle in der Hand hielt.
    »Es ist weit mit mir gekommen«, sagte ich zu ihr, während ich das Brot mit ihr teilte. »Jetzt besteche ich schon jemanden für Liebe.«
    Loulou blieb ungerührt und leckte sich die behaarte Schnauze genüsslich sauber. Dann nahmen wir gemeinsam auf dem Sofa Platz, und ich zappte durchs Fernsehprogramm.
    Es gab eine Menge Spielfilme, die alle von Liebe handelten. Es gab einen Krimi, in dem eine Frau ihre Rivalin umbrachte. Es gab eine Talkshow, in der ein Musiker glückselig von seiner Ehe mit seiner wesentlich älteren Ehefrau berichtete.
    Nach einer halben Stunde hielt ich es nicht mehr aus und rief Jackie an. Ich hörte viel zu selten von ihr in der letzten Zeit. Manchmal hatte ich regelrecht das Gefühl, sie würde mir aus dem Weg gehen. Und ich hatte bei all meinen emotionalen Verstrickungen keine Zeit dafür gefunden, sie wenigstens einmal zur Rede zu stellen.
    Ein langer einsamer Waldspaziergang. Das wäre
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