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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kohle kam aus dem dunklen Schoß der Erde, es war eigentlich wie immer – und doch hatte sich Entscheidendes verändert. Wohl standen Deutsche und Italiener nach wie vor nackt unter den Brausen der Waschkaue und spülten im heißen Wasserstrahl den fettigen Ruß von ihren Leibern, aber es war keine unsichtbare Wand mehr zwischen ihnen, keine stumme Ablehnung, keine deutlichen Blicke: Geh weg, du Itacker! Verdrück dich, du Schmalzkopp! Hau ab, du Makkaronifresser! – Nein, das gab es nicht mehr. Man war zusammengewachsen, die Explosion unter Tage hatte sie zusammengeschweißt. Man war Kumpel, Püttmann, ein Mensch an der Ruhr, man war Bergkamerad und jeder half dem anderen, weil man aufeinander angewiesen war.
    Die letzte Barriere schwand, als Pater Wegerich die erste deutsch-italienische Hochzeit zelebrierte. Ein Mädchen aus Buschhausen heiratete den italienischen Kumpel Carlo Bernonzi. Und ganz Buschhausen stand in und vor der Kirche und demonstrierte ungeschmälertes Einverständnis mit diesem Ereignis.
    Weihnachten kam, das neue Jahr begann. In aller Stille feierte man in der Sassen-Villa eine Doppelhochzeit. Man hatte damit so lange gewartet, bis Dr. Ludwig Sassen an ihr teilnehmen konnte, zwar im Rollstuhl, halbseitig gelähmt, aber wieder mit klarem Kopf, wenn auch nicht mehr mit der alten Energie.
    »Nun habt ihr mich am Hals«, sagte er zu seinem Schwiegersohn Kurt Holtmann und zu seiner Schwiegertochter Waltraud Born. »Ich kann euch nicht bedauern. Ihr wolltet ja unbedingt rein in die Familie Sassen. Ihr habt es nicht anders gewollt.«
    »Komm, wir kloppen einen!« mischte sich Hans Holtmann ein und rollte Sassen zu einem Tisch am Fenster, wo Karten lagen und eine Flasche Steinhäger in einem Kühler stand. Onkel Lorenz hatte schon einige gekippt, blinzelte aus wäßrigen Äuglein den beiden entgegen und sagte vorwurfsvoll: »Wo bleibt ihr denn so lange?«
    Es war ein harmonisches Leben, das wieder in die Sassen-Villa und das kleine Siedlungshaus der Holtmanns einzog. Nur nachts, wenn Dr. Sassen allein im Bett lag, kamen die Erinnerungen und machten ihm zu schaffen.
    Veronika, dachte er dann. Wie war das, als ich sie zum erstenmal sah? Ihre goldroten Haare leuchteten unter einem vielflammigen Kronleuchter aus Kristall. Ich war fasziniert und wußte im gleichen Augenblick: Sie wird meine Frau! Nur die kann es werden! An ihrer Seite erlebe ich den Himmel auf Erden! Den Himmel?
    Er drehte sich mühsam zur Wand und starrte gegen die Seidentapete.
    Vom Himmel war ihm nur ein Stück geblieben: Oliver. War das nicht genug? In Oliver erkannte er Veronika wieder, vor allem ihre herrlichen Augen. Das machte ihn glücklich, obwohl er sich sagte, daß ihn das Leben betrogen habe.
    Ostern war es soweit. Die Sühnekapelle wurde eingeweiht. Pater Wegerich, im Ornat, empfing Dr. Ludwig Sassen, den Waltraud Sassen, wie sie jetzt hieß, in seinem Rollstuhl heranschob.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Pater Wegerich mit bewegter Stimme und drückte Dr. Sassen die Hand. Es war ein Händedruck, wie er vor einem Jahr noch völlig unmöglich gewesen wäre, damals, als der großkotzige Direktor Sassen dem kleinen Pater hatte sagen lassen, er solle sich um seine Seelen kümmern; um die Zeche Emma II kümmere er, Direktor Sassen, sich allein.
    »Es war selbstverständlich«, sagte Dr. Sassen leise.
    Waltraud Sassen sah den Pater erstaunt an. Sie verstand nicht, worum es ging. Pater Wegerich lächelte unsicher.
    »Ihre Kinder wissen es nicht, Herr Direktor?« frage er.
    »Nein. Schließlich ist es mein Geld.«
    Das war wieder der alte Sassen. Kurt Holtmann grinste breit.
    »Als Mitgiftjäger ist es für mich aber interessant, was du da wieder gedreht hast, Vater.«
    »Gedreht – Pater, habe ich etwas gedreht!«
    Dr. Sassen zeigte auf die offene Kapellentür. »Da, geht hinein! Da drinnen ist es, was er gedreht hat.«
    »In der Kirche!« fragte Kurt Holtmann verwundert. »Was kann denn das sein?«
    »Ihr Schwiegervater hat den Altar gestiftet«, antwortete Pater Wegerich. »Es ist der schönste Altar weit und breit. Um ein großes Stück Kohle ist aus Bronze der Altartisch gegossen. Und der Korpus auf dem Kruzifix ist von einem meiner italienischen Pfarrkinder aus Kohlegestein gehauen worden. Ein schwarzer Christus – ist er nicht ein Symbol, wie nötig es ist, die Welt zu erhellen?«
    Aus der Kapelle drang das Spiel einer kleinen Orgel. Dr. Sassen sah verblüfft von einem zum anderen.
    »Eine Orgel? Die fehlte ja noch! Wer hat die
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