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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fällt, ihn zurückzulassen?«
    »Nein.« Dr. Pillnitz zeichnete mit einer seiner Krücken Kreise auf den gewachsten Linoleumboden. »Aber wenn du Oliver wirklich so liebst, ist es tatsächlich das Beste, du läßt ihn bei Sassen. In der Welt, in die wir jetzt ziehen, würde er verderben. Wir würden ihn verderben, denn unser Atem ist sumpfig, mein Kind. Wir sind Giftpflanzen der Gesellschaft. Wer mit uns lebt, muß modern. Glaub es mir. Man muß das ganz brutal sehen. Es ist richtig, was du sagst. Der größte Beweis für deine Mutterliebe ist der Verzicht auf dein Kind.«
    »Wann reisen wir?« fragte Veronika tonlos.
    »Übermorgen!«
    »Womit?«
    »Mit deinem Wagen!«
    »Nein, ich werde mir nichts aneignen, was Sassen gehört.«
    »Man wird dich nicht nackt über die Grenze lassen –«
    »Also gut, dann den Wagen. Und einige Kleider …«
    »Und den Schmuck –«
    »Nein!«
    »Doch! Du hast ihn dir in den vergangenen Jahren redlich verdient. Es war eine gewaltige Leistung von dir, Ludwig Sassen die Illusion zu geben, ein glücklicher Ehemann zu sein. Das ist mit deinem Schmuck nicht überbezahlt. Ich würde ihn mitnehmen.«
    Es brauchte nicht viel, sie dazu zu überreden. Sie schwieg. Auch der Schmuck war also praktisch schon in Antibes.
    »Wer spricht nun mit Dr. Sassen?« fragte Pillnitz, nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte.
    »Du.«
    »Allein, oder in deiner Gegenwart?«
    »Allein, bitte.«
    »Wie du willst.« Dr. Pillnitz stieß den Rauch aus. »Ich rufe nachher bei dir an und melde mich offiziell an. Morgen abend um 8 Uhr. Es wäre gut, wenn du für 8.20 Uhr den Hausarzt bestelltest.«
    Dr. Ludwig Sassen saß allein im Salon, als Dr. Pillnitz sich melden ließ und hereingeführt wurde. Oliver war schon im Bett, Veronika lag wieder mit Migräne, Sabine wohnte noch bei den Holtmanns, von Fritz hatte Dr. Sassen seit drei Wochen nichts mehr gehört. Er war ein einsamer Mann geworden, ihm blieb viel Zeit, über alles nachzudenken. Dreimal war inzwischen der Hauer Hans Holtmann in der Villa aufgetaucht. Er hatte seinen Schwager Lorenz Borczawski mitgebracht, und dann war Skat gespielt worden. Das war alles.
    »Das ist schön, daß Sie mich mal besuchen kommen, Doktor!« rief Dr. Sassen und eilte Dr. Pillnitz entgegen. »Ich komme mir vor wie ein Eremit oder wie ein Leprakranker. Ich hocke hier herum und starre die Wände an und keiner kümmert sich um mich.«
    »Ihre Gattin –«
    »Sie leidet immer unter dieser schrecklichen Migräne, Doktor, dagegen muß es doch ein Mittel geben. Was nutzt die ganze medizinische Wissenschaft, wenn sie vor Allerweltsleiden kapituliert?«
    Dr. Pillnitz setzte sich in einen der Gobelinsessel und stützte die Arme auf die Krücken. Nachdenklich blickte er Dr. Sassen nach, als dieser zur Hausbar eilte, zwei Gläser holte, Whisky, Sodawasser, Eis. Welch armes Schwein bist du doch trotz deiner Millionen, dachte Pillnitz. Mitleid überkam ihn und ein Ekel vor sich selbst. Ich sitze hier, um ihm die Frau wegzunehmen, dachte er. Und er freut sich, daß ich ihm Gesellschaft leiste in seiner Einsamkeit. Was hat er nun von seinen Millionen? Er ist ein zerrupfter Vogel in einem goldenen Käfig.
    »Es gibt eine Therapie, von der ich mir etwas verspreche, Herr Direktor«, sagte Dr. Pillnitz mit gezwungener Stimme.
    »Ja?« Dr. Sassen drehte sich um. »Und die wäre?«
    »Eine radikale Luftveränderung.«
    »Übersee? Die Bahamas? Die sollen so gesund sein.«
    »Südeuropa würde genügen. Die Mittelmeerküste. Kap Antibes.«
    Dr. Sassen goß die Whiskygläser halb voll. »Das klingt verheißungsvoll, Doktor. Warum hat man Veronika nicht schon längst dorthin geschickt? Professor Geldern sprach nie davon.«
    »Vielleicht war die Zeit noch nicht reif dazu?«
    »Die Zeit?«
    »Jede Krankheit hat Inkubationen, Krisen, latente Zeiten, Höhepunkte. Ich würde sagen, Ihre Gattin ist jetzt in einem Stadium, das anrät, sie wegzuschicken.«
    »Das ist Ihre Überzeugung?« Dr. Sassen stellte die Gläser auf den Tisch. »Ich werde mit Veronika darüber sprechen. Sie wissen ja, sie trennt sich nicht gern von mir und dem Haus.«
    »Ich weiß«, antwortete Dr. Pillnitz betroffen. Oh, welche Lumpen sind wir doch, dachte er dabei in spontaner Selbsterkenntnis. Welche Feiglinge. Auch ich werde ihm die Wahrheit nicht sagen können. Er ist ein alter Mann, und die Sonne seines Lebens ist Veronika. Er spürt gar nicht, wie kalt, wie eisig diese Sonne ist.
    Eine halbe Stunde blieb Dr. Pillnitz, trank
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