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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fällt auf Buschhausen. Wir werden uns bemühen müssen, Italienisch zu lernen. Unsere Italien-Erinnerungen mit den Vokabeln dolce vita und amore werden nicht ausreichen.«
    Dr. Waltraud Born trat neben Dr. Pillnitz an das Fenster des Untersuchungsraumes. Seit einem halben Jahr war sie als Assistentin des Werkarztes hier tätig. Zuerst hatte es sie Überwindung gekostet, mit den oft derben Bergleuten umzugehen, aber dann hatte sie entdeckt, daß man sich Respekt nur durch die gleiche Derbheit verschaffen kann. Willi Korfeck, den man in Buschhausen nur ›Willis-Bums‹ nannte, weil ein Schlag seiner rechten Faust wirksamer war als 10 ccm Äther, war der erste, der Dr. Waltraud Borns Umstellung zu spüren bekommen hatte. »Los! Hose runter!« hatte sie ihn angeschrien, als er verlegen und blinzelnd im Untersuchungszimmer gestanden war und über einen Furunkel am Gesäß geklagt hatte. »Sie sind ja sonst nicht so zimperlich.«
    Seit diesem Tage war Dr. Waltraud, wie man sie nur noch nannte, ein anerkanntes Belegschaftsmitglied der Zeche Emma II. Es war sogar bekannt, daß man bei Krankschreibungen besser zu ihr als zu Dr. Pillnitz gehen müsse, denn – so sagte man – die kleine Dr. Waltraud hat ein Herz für den Arbeiter.
    »Die sehen ja ganz passabel aus«, sagte Dr. Waltraud zu Dr. Pillnitz, als sich die Türen der Busse öffneten und die Italiener auf den betonierten Hof sprangen. »Wenn man bedenkt, daß sie sich nie sattessen konnten …«
    Dr. Pillnitz schielte zur Seite. »Sie sind blond, Kollegin. Und daß Sie hübsch sind, sagt Ihnen jeder Spiegel. Was dort ausgeladen wird, sind 120 heißblütige Casanovas, die in zwei Stunden hier an Ihnen entlangmarschieren werden zur Untersuchung. Wie Sie diese Glut aushalten wollen …« Er lächelte sarkastisch.
    Dr. Waltraud trat vom Fenster zurück und warf den Kopf in den Nacken.
    »Ich bin Ärztin, weiter nichts!« sagte sie knapp.
    »Das ›weiter nichts‹ möchte ich stark anzweifeln.«
    »Wenn ich Sie nicht kennen würde, Bernhard, müßte ich jetzt wütend werden. Aber Ironie ist Ihr Salz des Lebens … Wann kommen die Söhne Siziliens?«
    »In zwei Stunden. Erst rollt der ganze Pipapo ab … Begrüßung durch die Werksleitung, Ansprache des Chefs, Einweisung in die Quartiere, Begrüßungskaffee mit Kuchen, Händeschütteln, Versicherungen von Freundschaft und Kameradschaft … Es wird ein kräftiges Sandstreuen in die schwarzen Augen werden.«
    Dr. Waltraud setzte sich an ihren Schreibtisch und klopfte mit einem langen Bleistift auf die Platte. »Was haben Sie eigentlich gegen die Italiener?«
    »Nichts, schöne Kollegin.«
    »Wohin ich in den vergangenen Tagen hörte, überall das gleiche: Das kann ja heiter werden! Na, laß die mal kommen! Denen werden wir mal zeigen, was arbeiten heißt … Und so ging es weiter in den gehässigsten Tönen. Warum eigentlich? Diese Männer kommen 1.500 km weit quer durch Europa zu uns gefahren, um unsere Kohlen aus der Erde zu brechen und selbst einmal das erträumte Glück zu genießen, satt zu sein und Geld in der Hand zu fühlen. Zu Hause, in ihren Steinhütten, haben Sie Frauen und Kinder, Mütter und Väter, die vor Glück weinten, als ihre Männer und Söhne hinausziehen konnten in das Goldland Germania.«
    »Himmel! Die kleine Waltraud entwickelt dichterische Talente. Fängt der Zauber des Südens schon an? Kaum erblickt man eine schwarze Locke, schmilzt das nordische Eis …«
    »Sie reden Quatsch!« sagte Dr. Waltraud Born böse. »Ich hasse diese deutsche Überheblichkeit! Sie hat uns schon zwei Kriege eingebracht.«
    Dr. Pillnitz schwieg. Er trat wieder an das Fenster. Im Hof standen die Italiener vor den roten Sonderbussen, die sie vom Bahnhof Gelsenkirchen nach Buschhausen gebracht hatten. Der Personalchef, der Obersteiger, ein Herr von der Verwaltung und der neu ernannte Lagerleiter des Italienerlagers kamen aus dem Direktionsgebäude. Am Eingang stand Dr. Fritz Sassen, der Sohn des Zechendirektors Dr. Ludwig Sassen, und unterhielt sich mit dem Transportleiter.
    »Jetzt geht's los, Waltraud!« sagte Dr. Pillnitz laut. »Zuerst spricht der Personalchef. Soll ich Ihnen sagen, wie er anfängt? ›Liebe neue Mitarbeiter, im Namen der Zeche Emma II …‹ Psst … hören Sie!« Er öffnete das Fenster und legte den Finger auf den Mund.
    Vom Hof drang Stimmengewirr ins Zimmer, das langsam verebbte. Dann wurde eine helle Stimme laut.
    »Liebe, neue Mitarbeiter. Im Namen der Zeche Emma II heiße ich Sie auf das
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