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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch einmal, als Cabanazzi sich nicht rührte.
    »Prego!« sagte sie wieder. Sie blickte zur Seite und sah, wie Dr. Pillnitz am anderen Ende der Zehnerreihe begann und den ersten Patienten auf Leistenbrüche abtastete. Plötzlich erschrak sie leicht, sie fuhr zusammen. Cabanazzi stand vor ihr, sein dunkel behaarter Brustkorb wölbte sich vor ihren Augen.
    »Signorina dottore …«, sagte eine dunkle, einschmeichelnde, warme Stimme, mit einem Ton, als sänge sie ein seliges Piano. »Da isch bin.«
    »Sie … Sie können Deutsch?« fragte Dr. Waltraud einen Augenblick verwirrt.
    »Bisken …« Cabanazzi lächelte strahlend. »Bella signorina dottore …«
    Waltraud setzte das Stethoskop auf die Brust Cabanazzis. Aber sie hörte nichts. Ein Rauschen war in ihren Ohren, als hielte sie die empfindliche Membrane an einen Wasserfall. Sie zwang sich, ganz ruhig zu sein und tastete mit dem Stethoskop hinunter zur Herzspitze Cabanazzis.
    »Isch gesund …«, sagte die zärtliche, warme Stimme über ihr. Es war, als flüstere er es ihr ins Ohr. »Isch ganz gesund, madonna.«
    »Halten Sie die Luft an! Nicht atmen!« sagte Dr. Waltraud mit belegter Stimme. Noch immer war das Rauschen in ihren Ohren. Über sich selbst zornig preßte sie die Lippen zusammen. Ich bin kindisch, dachte sie. Ich bin wirklich kindisch.
    In diesem Augenblick spürte sie einen Druck. Eine braune Hand lag auf ihrer rechten Brust und streichelte sie. Mit einem Ruck fuhr sie aus der gebückten Haltung empor und stieß die Hand weg. Cabanazzis Gesicht strahlte.
    »Bella!« sagte er wieder. Dann griff er wieder zu, fester und fordernder.
    Dr. Waltraud Born zögerte einen kurzen Augenblick, dann hob sie die Hand und schlug kräftig auf den Arm Cabanazzis. Es gab ein lautes Klatschen, das Dr. Pillnitz aufblicken ließ. Zunächst sah er nur die breit grinsenden Gesichter der Männer an der Wand, dann blickte er zu Waltraud und Cabanazzi und sah, wie sie bemüht war, sich gegen den Mann zur Wehr zu setzen.
    »Verdammt!« stieß Dr. Pillnitz hervor. Mit ein paar Schritten war er bei Cabanazzi, packte ihn am Genick und riß ihn herum. Die Augen Cabanazzis flammten auf, als er in das entschlossene Gesicht des Arztes blickte. Er wollte sich dem Griff des Arztes entwinden, aber das gelang ihm nicht. Zwei harte Hände hielten ihn fest und beförderten ihn aus dem Untersuchungszimmer hinaus in den Warteraum.
    Vierzig Augenpaare starrten auf den Landsmann, der plötzlich durch einen Arzt in ihre Mitte gestoßen wurde. Sie schwiegen. Ihre Blicke, die Cabanazzi galten, waren abweisend. Nur Mario Giovannoni, der sich auf der Fahrt mit ihm angefreundet hatte, weil er aus der gleichen Küstengegend stammte, ging auf ihn zu.
    »Was ist denn, Luigi?« fragte er. »Was war denn da los?«
    »Nichts.« Cabanazzi griff nach seinem Hemd und zog es wieder über. »Es gibt nur einige Gesichter, die man sich merken muß.«
    Im Untersuchungszimmer wusch sich Dr. Waltraud die Hände, als habe sie sie beschmutzt. Dr. Pillnitz reichte ihr ein Handtuch.
    »Danke, Bernhard«, sagte sie leise. »Vielleicht lag es auch an mir. Ich habe mich nicht vorgesehen. Wollen Sie den Vorfall der Werksleitung melden?«
    »Warum?« Dr. Pillnitz schüttelte den Kopf. »Der dachte sich vielleicht gar nichts dabei. Ich habe nur Angst davor, wie unsere Jungs reagieren werden, wenn diese 120 glühenden Südländer Samstag und Sonntag in Buschhausen ausschwärmen werden.«
    Zunächst schien es, als merke man den Belegschaftszuwachs gar nicht. Die 120 wurden auf die einzelnen Schichten verteilt, sie kamen vor Ort, halfen dem Schießsteiger beim Tragen der Sprengladungen, arbeiteten als Schlepper, stemmten sich mit den Bohrhämmern gegen den Fels und bohrten in das Flöz die Löcher für die Sprengungen, verkästeten die Strecke, halfen am Bremsfördergestell oder arbeiteten mit den Kolonnen, die von einem neuen Förderquerschlag aus das Hochbrechen des neuen Wetterschachtes ausführten.
    Auch in der Waschkaue fielen sie nicht auf. Sie waren schwarz wie die anderen, sprangen nackt unter die dampfende Brause und wuschen den fetten Kohlenstaub von ihren glänzenden Leibern. In ihren Baracken hatten sie sich schnell eingewöhnt und innerhalb von zwei Tagen die Atmosphäre sizilianischer Leichtigkeit verbreitet. Wäsche flatterte an Leinen von Baracke zu Baracke, Gitarren erklangen abends, an den Wänden hingen Chiantiflaschen und die bunten Bilder der Heimat. Es roch nach Tomatensoße und Parmesan, alter Salami und
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