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Die Schockwelle: Thriller (German Edition)

Die Schockwelle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Autoren: Ilkka Remes
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gutes Stück die Porthaninkatu hinaufgegangen, da fiel ihr ein, dass sie den Sauerrahm vergessen hatte. Wenn sie Stress hatte, wirkte sich das hin und wieder auf ihr Gedächtnis aus, aber für einen Menschen, der das Kochen ernst nahm, handelte es sich hier doch um eine größere Gedächtnislücke. Trotzdem mochte sie nicht mehr umkehren. Elina würde sich mit dem zufriedengeben müssen, was sie gekauft hatte. Vera wollte ihrer finnischen Freundin zum Dank für deren Gastfreundschaft einen einzigartigen russischen Abend bereiten.
    An der Ampel ließ ein kleiner Junge seinen Zorn an seinerMutter aus. Der Anblick weckte in Vera widersprüchliche Gefühle. Sie hatte noch keine Kinder, in ihrer jetzigen Lebenssituation gab es absolut keinen Platz für ein Kind, ja nicht einmal für einen Mann.
    Elina Aro stützte sich auf die breite Fensterbank, von der die Farbe schon etwas abblätterte, und starrte nach draußen. Sie hatte die Kerze auf dem Tisch angezündet und das Licht ausgeschaltet. Winzige Regentropfen setzten sich auf die Fensterscheibe. Die Blumenbeete in der Anlage vor dem Haus leuchteten hell zwischen den Linden. Es dämmerte bereits. Elina sah auf die Uhr. Wo blieb Vera?
    Elina schob ihren Laptop in die Mitte des grob gezimmerten Tisches, den sie sich nach ihrem Umzug vor drei Wochen im Recyclingzentrum geholt hatte. Das alte Lundia-Regal war vollgestopft mit Ordnern und Mikrofilmrollen in Papphüllen, während sich die Bücher auf dem Fußboden stapelten, zum Teil in so hohen Türmen, dass sie zu kippen drohten. Die Dreizimmer-Altbauwohnung war in einem schlechten Zustand, aber geräumig, mit hohen Decken und einem Kachelofen im Wohnzimmer. Die Wohnung gehörte einem Freund von Elinas Vater, einem Investor, und die Miete war eher nominell, wegen der in einem halben Jahr anstehenden Wasserrohrsanierung.
    Endlich hörte Elina das Schloss klacken und wie die Tür zum hallenden Treppenhaus geöffnet wurde. Vera betrat die Wohnung, brachte die Einkaufstüte in die Küche und kam dann ins Wohnzimmer.
    »Hat’s geklappt?«, fragte Elina.
    »Wie man’s nimmt.«
    Elina wusste, dass Vera nicht gern von den Dingen sprach, über die sie schrieb. Sie hatte sich vorhin bei Elina nach dem finnischen Handelsregister erkundigt, aber nicht erklärt, warum.
    »Die Firma Tradex Trading hat ihre Bilanzen nicht an dasHandelsregister weitergegeben, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist«, sagte Vera.
    »Soweit ich weiß, ist das ziemlich üblich. Ich kann meinen Vater deswegen fragen, wenn du willst.«
    Vera setzte sich neben Elina an den Tisch, nahm einen Stift und zeichnete einen Kasten an den Rand der Zeitung. »Das hier ist Gazprom, identisch mit dem Kreml, wenn man es praktisch betrachtet. Medwedew war Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns. Gazprom verkauft neben dem Erdgas sein Öl über unterschiedliche Makler in den Westen.«
    Vera zeichnete einige Kreise. »Die Maklerfirmen von Gazprom und anderen Energieriesen sind hauptsächlich in der Schweiz registriert, aber Tradex Trading hat seinen Sitz in Finnland. Entscheidend ist, wer wirklich von den Firmen profitiert. Man sollte meinen, darüber wenigstens in Finnland Informationen zu bekommen, wenn man schon in der Schweiz nichts erfährt. Aber ich komme nicht weiter.«
    »Du hast es trotzdem viel leichter als ich«, erwiderte Elina und legte die nackten Füße auf die Fensterbank.
    Vera blickte auf den leuchtenden Computerbildschirm. In diesem PC steckte das Buch, an dem Elina schrieb, eine wissenschaftliche Untersuchung, die sich mit den Aktivitäten des KGB und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, also der Stasi, in Finnland beschäftigte.
    »Bist du bald fertig damit?«, fragte Vera.
    »Ich habe mich vom Verlag zu einem zu frühen Abgabetermin drängen lassen. Es gibt immer noch jede Menge offener Fragen. Sowohl was Russland betrifft, als auch die DDR.«
    »Lass dich nicht entmutigen. Irgendwann kommen die Antworten schon.«
    »Dann bin ich wahrscheinlich längst pensioniert. Bei manchen Interviews mit ehemaligen Politikern kommen interessante Informationen ans Tageslicht, aber die mündliche Aussage nützt nicht viel. Als Wissenschaftlerin braucht man allesschwarz auf weiß. Die Rosenholz-Dateien werden geheim gehalten, die Liste des ehemaligen finnischen Geheimdienstchefs Tiitinen, auf der finnische Stasi-Zuträger aufgeführt sind, wurde für immer im Tresor begraben, und die KGB-Archive werden noch jahrzehntelang verschlossen bleiben, und wenn die
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