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TTB 108: Die Pest kam von den Sternen

TTB 108: Die Pest kam von den Sternen

Titel: TTB 108: Die Pest kam von den Sternen
Autoren: Harry Harrison
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1
     
    Dr. Sam Bertolli beugte sich tiefer über das Schachbrett, vor dem er saß. Er hatte die Brauen nachdenklich zusammengezogen, bis sie einen schwarzen Strich unter der hohen Stirn bildeten. Bedächtig griff er nach dem Königsbauern und setzte ihn ein Feld vor. Er atmete auf, als der Kontrollschirm grün aufleuchtete – er hatte den richtigen Zug gemacht, den gleichen Zug, mit dem Fischer 1973 in Berlin seine denkwürdige Partie eingeleitet hatte. Dann summte das Schachbrett leise, und der gegnerische Läufer rückte auf der Diagonalen vor. Der Computer stellte Fischers Gegner, Botwinnik, in jenem historischen Spiel dar, und der letzte Zug war unerwartet und gefährlich. Sam runzelte die Stirn und konzentrierte alle Gedanken auf das Brett mit den 64 Feldern.
    Auf der anderen Seite des blanken Metalltisches wendete Killer die Seite eines Magazins, das Rascheln des Papiers klang laut durch die Stille des Bereitschaftsraumes. Draußen vor dem Hospital summte die Geschäftigkeit der Stadt. Groß-New York zählte zwölf Millionen Einwohner. In jeder Sekunde konnte sich die Tür öffnen, um ein neues Opfer des jagenden Verkehrs hereinzubringen. Hier auf diesem Tisch, gegen den sie lässig lehnten, waren blutgetränkte Kleidungsstücke zerschnitten worden, hatte der jetzt so stille Raum von den Schreien der Lebenden und dem Stöhnen der Sterbenden widergehallt.
    Sam zog den Springer der Königin vor, um dem drohenden Angriff zu begegnen. Der Kontrollschirm flammte rot auf – Sam hatte nicht den gleichen Zug wie Fischer gemacht –, und im gleichen Augenblick erwachte die Alarmglocke an der Wand zum Leben.
    Killer war auf den Beinen und aus dem Zimmer, bevor sein Magazin den Boden berührte. Sam ließ sich Zeit, das Schachbrett in ein Schubfach zu befördern. Er wußte aus Erfahrung, daß es mehrere Sekunden dauerte, bis der gedruckte Notruf vorlag. Er hatte das Schubfach gerade geschlossen, als ein Schlitz in der Rufanlage das Papier ausspie. Sam bestätigte durch einen Knopfdruck mit der Linken den Empfang, dann eilte er hinaus. Die Tür des Ambulanzwagens stand offen, Killer ließ die Turbine jagen. Sam sprang auf seinen Sitz und packte den Handgriff, um für den Start gewappnet zu sein; Killer liebte es, die schwere Maschine wie eine Rakete starten zu lassen. Die Karosserie der Ambulanz bebte, als Killer die Turbine auf Höchsttouren brachte. Nur die Bremsen hielten sie noch auf der Stelle. Sam hatte sich kaum auf seinem Sitz zurechtgerückt, als Killer die Bremsen freigab und seinen Fuß auf den Gashebel setzte. Mit einem Satz sprang das Fahrzeug an, und die plötzliche Beschleunigung schloß die Tür. Sie jagten über die Rampe dem auf die Straße führenden Eingang zu.
    »Wohin, Doc?« fragte Killer.
    Sam blickte auf die verschlüsselte Meldung in seiner Hand. »Kreuzung 15. Straße und 7. Avenue. A 7–11, ein Unfall mit nur einer betroffenen Person. Glauben Sie, daß Sie diesen verdammten Kahn für fünfzig Meter auf geradem Kurs halten können, damit ich das Operationsbesteck bereitstelle?«
    »Wir haben noch drei Blocks, bevor ich abbiegen muß«, sagte Killer ungerührt. »Das gibt Ihnen nach meiner Berechnung wenigstens sieben Sekunden, bevor Sie sich nach einem Halt umsehen müssen.«
    »Danke«, sagte Sam. Er zwängte sich durch den schmalen. Durchgang in den rückwärtigen Teil des Wagens und löste den grauen Stahlbehälter von der Wand. Er setzte sich und klemmte den Kasten zwischen seine Beine. Draußen huschten Gebäude und an den Straßenrand gefahrene Wagen vorüber. Der Notruf war an die Verkehrskontrolle weitergeleitet worden, deren Alarm auf dem Instrumentenbrett jedes Fahrzeuges ein Warnlicht aufleuchten ließ. In einem Umkreis von vier Blocks um die Ambulanz waren alle Fahrzeuge an den Straßenrand gefahren und zum Stillstand gebracht worden. Alle Ampeln zeigten Grün, und das Heulen der Sirene hielt die Fußgänger von der Fahrbahn fern.
    Dr. Sam Bertolli saß ruhig und gelassen auf seinem Sitz. Es war Killers Aufgabe, ihn an die Unfallstelle zu bringen, und er betrachtete es als Torheit, sich schon jetzt den Kopf über das zu zerbrechen, was er dort vorfinden würde. Kurze Zeit noch, dann würde er es wissen. Sam war ein hochgewachsener Mann mit kräftigen Händen. Er mochte sich ein Dutzendmal am Tag rasieren, nie wurden seine Wangen den bläulichen Schimmer los. Sein Haar war pechschwarz und verlieh ihm, zusammen mit der steilen Falte, die sich zwischen seinen Brauen zu bilden
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