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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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Keuschheitsgelübde gebrochen hatte, wurden die Säuglinge in einem Weidenkorb auf dem Tiber ausgesetzt. Die Flut spülte den Korb an Land, wo eine Wölfin die Säuglinge fand, sie jedoch nicht tötete, sondern in ihre Obhut nahm und mit ihrer Milch säugte. Sie wuchsen zu Männern heran und wurden die Begründer der Stadt Rom.
    »Die Frau, die hier anwesend ist und gehört zu werden wünscht«, sagte Ulrika, »… ihr Name ist mir unbekannt. Sie spricht ein veraltetes Lateinisch.«
    »Wie lautet der Name dieses Phantoms?«
    »Sie wird Rhea Silvia genannt. Sie hat eine Botschaft.«
    »Halt ein!«
    Alle wandten sich der Obersten Vestalin zu, die Ulrika bedeutete, sich ihr zu nähern. Als Ulrika der Aufforderung nachgekommen war, sagte die Priesterin: »Du wagst zu behaupten, mit Roms erster Oberster Vestalin in Verbindung zu stehen?«
    »Sie hat zu
mir
Verbindung aufgenommen. Und sie hat eine Botschaft.«
    »Flüstere sie mir zu, auf dass niemand sonst sie hört.«
    Sie beugte sich vor, zog den Schleier über ihrem Ohr zurück, und je länger sie dem lauschte, was Ulrika ihr zuraunte, desto mehr wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.
    Schließlich lehnte sie sich wieder zurück, faltete die Hände im Schoß und sagte leise: »Von dem, was du mir eben berichtet hast, wissen nur die Vestalinnen; es ist in unserer heiligen Chronik vermerkt, dem Buch der Prophezeiungen, das seit ewigen Zeiten unter uns weitergereicht wird. Wir Vestalinnen sind die auserwählten Hüterinnen der Geheimnisse Roms. Verstehst du?«
    »Ja.«
    »Und du bist dir bewusst, dass du, wenn du das verbreitest, was dir eben übermittelt wurde, Rom in eine Katastrophe stürzt. Chaos würde ausbrechen. Verstehst du das?«
    Ulrika nickte.
    »Dann schwöre mir bei dem, was dir am heiligsten ist, dass du niemals ein Wort darüber verlierst.«
    »Aber, ehrwürdige Frau, ich muss meine Fähigkeiten dem Kaiser gegenüber beweisen, damit er meinen Ehemann freilässt.«
    »Dafür werde ich sorgen, ebenso wie für die Freilassung deiner Freunde und des Barbaren.«
    Dass die Oberste Vestalin dies vermochte, wusste Ulrika. Mit Blick auf Sebastianus schwor sie bei ihrer Liebe zu ihm: »Ich verspreche es dir. Roms Geheimnis bleibt gewahrt.«
    Daraufhin wandte sich die Vestalin an Nero. »Cäsar, du wirst diese Leute in Frieden ziehen lassen.« Und Ulrika raunte sie zu: »Sobald ihr diesen Palast verlasst, seid ihr nicht mehr sicher. Dann kann ich euch nicht mehr beschützen. Ihr müsst Rom den Rücken kehren und dürft niemals zurückkommen.«
    »Ja …«, hob Ulrika an.
    Aber da erhob sich Nero von seinem Thron und sagte: »Ich denke nicht daran, diese Leute freizulassen. Sie haben sich des Verrats schuldig gemacht. Und dieser Barbar« – er deutete auf Wulf – »ist ein berüchtigter Feind des Kaiserreichs.«
    »Du darfst dich Vestas Wünschen nicht widersetzen«, kam es tadelnd von der Priesterin. »Wenn du das tust, Cäsar, bringst du Verderben über dein Volk. Wenn du Vesta kränkst, wird sie von ihrem Schutz ablassen.«
    »Ich bin mächtiger als Vesta«, erklärte Nero, worauf die Menge hörbar nach Luft schnappte. Die, die sich hinten, in der Nähe der Tür aufhielten, wichen noch weiter zurück, um so schnell wie möglich ins Freie zu gelangen. »Führt die Gefangenen ab!«, befahl er dann dem Anführer seiner Prätorianer-Garde und wies auf Ulrika, Sebastianus, Timonides, Rachel, den knienden Primo und Wulf. »Ich habe Gericht über sie gehalten und sie für schuldig befunden. Ihre Hinrichtung findet im Circus Maximus statt!«
    Bewegung kam in die Menge, es wurde getuschelt, vielsagende Blicke getauscht. Entsetzen zeichnete sich auf dem Gesicht der Obersten Vestalin ab. Unheil würde über Rom kommen.
    Und dann unvermittelt ein fernes Grollen, so als wäre Donner über die sieben Hügel Roms gerollt. Der Fußboden des Audienzsaals und gleich darauf auch die Wände begannen zu beben, dumpfes Dröhnen erfüllte die Luft. Statuen schwankten und stürzten von ihrem Sockel. Menschen schrien auf. Nero verließ eilends seinen Thron und zwängte sich in die Falten der schweren, nicht zu verrückenden Marmorstatue der Minerva, hielt sich schützend die Arme über den Kopf. Als eine Onyx-Büste in einer höhergelegenen Wandnische zu wackeln begann und abzustürzen drohte, eilte General Vatinius hinzu und zog Nero noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone, ehe die Büste krachend auf dem Boden aufschlug.
    Rachel sank auf die Knie und schlang die Arme um die Kiste aus
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