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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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ist?«
    Seine Kollegen lachten. »Vielleicht bildet sich das Mädchen ja nur ein, etwas zu sehen!«, warf ein anderer hämisch grinsend ein.
    »Du sagst es, Marcus.«
    Ulrika sah den, der sich Marcus nannte, an, verlangsamte ihre Atemzüge, umfasste die Kammmuschel und stellte sich ihre innere Flamme vor. Nach intensiver Konzentration sagte sie: »Wie erklärst du dir dann den zehn- oder elfjährigen Jungen, den ich neben dir erblicke? Er spricht zu mir. Er sagt, sein Name sei Faustio.«
    Dem Berater namens Marcus verging das Grinsen.
    »Soll ich weitermachen?«, fragte Ulrika.
    »Du denkst dir da bloß was aus!«, rief Nero. »Was du da behauptest, lässt sich doch gar nicht überprüfen.«
    Ulrika merkte, dass sich Marcus höchst unwohl fühlte.
    »Kannst du aus Gegenständen etwas herauslesen?« Nero schien noch immer zu zweifeln. »Unter meinen Sehern ist einer, der einem die Zukunft deuten kann, wenn er einen Gegenstand des Betreffenden in der Hand hat.«
    »Darin habe ich Erfahrung, Cäsar.«
    »Dann wirst du mir jetzt die Zukunft deuten, und zwar anhand eines Gegenstands, der nicht besser sein könnte.« Der Kaiser zeigte sich entzückt über seinen Einfall und diese neue Belustigung.
    Er reichte sein Smaragdmonokel an einen Berater, der es an Ulrika weitergab.
    »Kannst du in die Zukunft sehen?«, fragte Nero ungeduldig.
    Mit beiden Händen umschloss Ulrika den funkelnden grünen Kristall, der in zarten Golddraht gefasst und mit einem langen Griff aus Elfenbein versehen war.
    Im Saal wurde es mucksmäuschenstill, als sie prüfend über die Oberfläche des unregelmäßig geformten Smaragds fuhr. An einigen Stellen fühlte er sich rau an, an anderen glatt. Trotz leichter Schlieren war der Stein von einem noch nie gesehenen Grün, und die kleinen Stellen, die durch und durch klar waren, funkelten atemberaubend.
    Geist des Smaragds, flehte sie stumm, bitte lass mir eine Botschaft zukommen. Gib mir ein Zeichen oder vermittle mir etwas, was ich an diesen Mann weitergeben kann, der das Leben meines geliebten Ehemanns in Händen hält.
    Der kaiserliche Audienzsaal, die schweigend verharrenden Menschen schwanden aus ihrem Gesichtskreis, machten einer anderen Wahrnehmung Platz.
Weicher Stoff … Wandverkleidungen aus durchsichtigem Material … Vorhänge über einer Türöffnung. Ulrika steht auf der anderen Seite, schaut in ein opulent ausgestattetes Schlafgemach. Eine Frau sitzt an ihrem Frisiertisch, wischt sich die Schminke aus dem Gesicht. Agrippina, Claudius’ Witwe und Neros Mutter. Plötzlich schrickt sie zusammen. Wird gestört. Jemand tritt ein. Ein Mann. Mit einem Dolch. Sie springt auf. Nicht angstvoll, abwehrbereit. Sie weiß, dass er gekommen ist, um sie zu ermorden. Sie dreht sich zu ihm um und sagt verächtlich: »Wenn du es schon tun musst, dann versetze mir einen Stich in den Leib und zerstöre den Teil meines Körpers, der einen derart abscheulichen Sohn geboren hat.«
    Die Vision löste sich auf. Ulrika schwankte. Sebastianus fing sie auf. Sie presste die Hand auf die Stirn, atmete tief durch und fasste sich wieder.
    Nero auf seinem Thron beugte sich vor. »Und? Was hast du gesehen?«
    Ulrika zitterte. Sie war eben Zeugin von Kaiserin Agrippinas Ermordung geworden, und ihr Sohn, hinter einem Wandvorhang verborgen, hatte alles mitangesehen. War es also doch so, wie man hinter vorgehaltener Hand tuschelte, dass Nero einen Mörder gedungen hatte, um seine Mutter umbringen zu lassen, und dann eigenhändig den Mörder getötet und somit zum Schweigen gebracht hatte?
    Niemand weiß, was Agrippina kurz vor ihrem Tod geäußert hat. Niemand außer Nero. Und ich weiß es jetzt auch …
    Ulrika spürte Hunderte Augenpaare auf sich ruhen, auch die misstrauisch verengten des Kaisers. Was sollte sie ihm sagen? Nero wollte von ihr etwas hören, was nur er wissen konnte, zum Beweis dafür, dass sie in der Tat über eine besondere Gabe verfügte. Durch das, was ihr der Smaragd vermittelt hatte, brachte sie sich jedoch selbst in Gefahr – mit der kleinsten Andeutung, dass sie wusste, dass er es war, der Agrippina hatte ermorden lassen, setzte sie ihr Leben aufs Spiel.
    »Sprich!«, bellte Nero. »Was hat dir der Smaragd verraten?«
    Andererseits wird durch einen Beweis meiner Fähigkeiten Sebastianus freikommen, denn Nero kann unmöglich abstreiten, dass ich tatsächlich mit der Welt der Geister kommuniziert habe.
    »Großer Cäsar«, hob sie an. »Ich sehe eine Frau …«
    Die massive Doppeltür, der
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