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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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Hauptzugang zum Audienzsaal, wurde unvermittelt aufgerissen. Alle Köpfe fuhren herum.
    Legionäre marschierten herein, traten mit ihren grob genagelten Sandalen fest auf den Marmorboden. Nero sprang auf. »Wer wagt es, ohne meine Erlaubnis und unangekündigt hier einzudringen?«
    Ulrika, die sich ebenfalls zum Haupteingang umgedreht hatte, meinte ihren Augen nicht zu trauen, als hinter der Einheit Soldaten ein eindrucksvoller Mann auftauchte. Ein dichter roter Federbusch zierte seinen glänzenden Helm. Auf der Vorderseite seines Brustharnischs aus weißem Leder prangte ein goldener Löwe, die weiße Tunika darunter war ebenfalls mit Gold eingefasst. Auch die Schutzschienen an seinen Beinen und an den Unterarmen schimmerten golden, als er – eine wahrhaft blendende Erscheinung – selbstbewusst, die rechte Hand am Heft seines Schwerts, mit großen Schritten den Saal durchmaß.
    »Sebastianus«, wisperte Ulrika, als der Mann näher kam, »das ist General Vatinius!«
    Neros Verärgerung ging über in grenzenlose Verblüffung. »Vatinius? Was soll das? Du kommst ohne Vorladung, ohne Ankündigung. Erkläre dich!«
    »Ich bringe Cäsar ein besonderes Geschenk«, verkündete der General mit einer Stimme, die bis in den letzten Winkel des riesigen Saals drang. Vatinius drehte sich um, streckte den Arm aus, und eine weitere Einheit Soldaten, in ihrer Mitte einen Gefangenen in Fesseln, betrat den Saal.
    »Großer Cäsar!«, rief Vatinius aus, »zur Feier deines Jubiläums übergebe ich dir den aufsässigen Barbaren, der dreißig Jahre lang Krieg gegen Rom geführt hat – Wulf, der vorgibt, der Sohn von Arminius zu sein!«
    Ulrika griff wie hilfesuchend nach Sebastianus, als der gefesselte Mann nach vorn geführt wurde. Er war hochgewachsen und breitschultrig, in sein wirres, teils zu Zöpfen geflochtenes blondes Haar wie auch in den langen Bart mischten sich graue Strähnen. Er trug eine dunkelbraune Tunika aus grobem Tuch, lederne Beinkleider und kniehohe Pelzstiefel. Ein Mann Ende fünfzig mit aufrechtem Gang und stolz erhobenem Haupt. Er schaute weder nach rechts noch links, sondern hielt den Blick geradewegs auf Cäsar gerichtet.
    Ulrika rang um Fassung. Das war der Mann, von dem sie seit ihrer Kindheit geträumt, der ihre Phantasie beflügelt, den kennenzulernen sie sich so sehnlich gewünscht hatte. Als junges Mädchen hatte er ihre Gedanken erfüllt und in ihrer Vorstellung heldenhafte Ausmaße angenommen. Sie hatte sich auf die Suche nach ihm begeben. Man hatte ihr gesagt, er sei tot.
    Ihr Magen drehte sich um, als sie das hinterhältige Grinsen auf Neros Gesicht gewahrte und wusste, was es zu bedeuten hatte.
    Ganz Rom zerriss sich das Maul über Neros Unvermögen, als Kriegsherr Siege zu erringen. Der Krieg gegen die Parther war nur dadurch, dass Rom einem Waffenstillstand zustimmte, ein Jahr zuvor zu Ende gegangen, und auch wenn es Nero gelungen war, in Britannien die von Königin Boudicca angezettelte Revolte zu unterdrücken, war ihm durch den Selbstmord von Boudicca eine Siegesfeier nicht vergönnt gewesen. Allen im Audienzsaal Versammelten war klar, welche Bedeutung dem Überraschungsgeschenk von Vatinius an seinen Kaiser beizumessen war.
    Theatralisch erhob sich Nero von seinem Thron und schritt auf den General zu. »Warum hat man mich nicht informiert?«
    Vatinius lächelte. »Die Gefangennahme erfolgte erst kürzlich, Cäsar, und die wenigen, die davon wussten, wurden auf Geheimhaltung eingeschworen. Ich wollte dich überraschen.«
    »Gut gemacht, edler Vatinius!« Nero schritt um den Gefangenen herum, musterte ihn befriedigt von oben bis unten. »Ich werde dir zu Ehren Spiele abhalten, General. Du bist ein Held des Kaiserreichs.«
    Die Umstehenden brachen in Jubel aus. Ulrika hingegen überlief es eiskalt.
    »Für dich, Barbar«, sagte Nero hämisch, »werden wir uns eine ganz besondere Bestrafung in der Arena einfallen lassen. Möglich, dass ich Sebastianus gegen dich antreten lasse. Barbar gegen Römer. Mal sehen, wer gewinnt!«
    Ulrikas Herz flog ihrem Vater zu. Am liebsten wäre sie zu ihm geeilt, um ihn zu umarmen und zu beschützen.
    Vor dreiunddreißig Jahren wurde mein Vater auf einem Schlachtfeld in Germanien festgenommen und auf dem Sklavenmarkt verkauft. Drei Jahre später verließ er auf Drängen meiner Mutter Persien, um ins Rheinland zurückzukehren und gegen General Vatinius zu kämpfen. Vor zehn Jahren speiste General Vatinius im Hause von Tante Paulina und brüstete sich mit seiner
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