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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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dem an zwischen Marmorbauten gequetschten Ständen von Büchern bis Teppichen alles verkauft wurde.
    Primo führte die Gefährten die Via Sacra entlang, vorbei an der Curia, dem Sitz des römischen Senats, und um den Tempel von Castor und Pollux herum, bis sie auf eine kleine, in den Hang geschlagene Grotte mit einem plätschernden, von Rankengewächsen umstandenen Brunnen stießen. Auch eine Marmorbank und weiter hinten einen Marmoraltar, den man vor langer Zeit dort errichtet hatte, entdeckten sie, ferner, über dem Altar, eine Tafel aus Terrakotta, auf der ein junger Mann auf einem Stier abgebildet war und die die Unterschrift
Sol Invictus Mithras
trug. Von diesem Mithras-Schrein aus konnten sie unbemerkt das Vorgehen der Prätorianer beobachten.
    »Selene«, ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen. Ulrika blickte auf. Blaue Augen voller Fragen schauten sie an. »Und wiederum nicht … Du siehst ihr ähnlich.«
    Obwohl ihr Germanisch durch mangelnde Übung etwas eingerostet war, fiel es ihr leicht, ihm in seiner Sprache zu antworten. »Selene ist meine Mutter, und du bist mein Vater.« So eindrucksvoll sah er aus, wirkte so stark und heldenhaft, als lebte er normalerweise zusammen mit Thor und Odin. Verständlich, dass sich ihre Mutter in ihn verliebt hatte.
    Grenzenlose Verblüffung war auf seinem Gesicht abzulesen. »Ich bin dein Vater?« Er musterte ihr Haar, ihre Gesichtszüge, lächelte dann. »Ja, du bist Selenes Tochter, aber in deinen Augen, in deinem Kinn erkenne ich jetzt auch meine Mutter. Ich wusste gar nicht …«
    Er zog sie an sich und umarmte sie voller Inbrunst, drückte sie so fest an sich, dass Ulrika das gleichmäßige Schlagen seines Herzens spürte. »Und deine Mutter? Geht es ihr gut?«, fragte er, als er sie losließ. »Unsere gemeinsame Zeit war nur kurz, dafür war sie etwas ganz Besonderes.«
    »Meine Mutter lebt in Ephesus. Ich glaube, sie ist wohlauf. Wie konnte Vatinius es fertigbringen, dich gefangen zu nehmen?«
    Er grinste bedauernd. »Ich bin nicht mehr so flink wie früher.«
    »Das ist Sebastianus«, sagte sie. »Mein Ehemann.« Trotz der Wachsamkeit, mit der alle die Bewegungen der Soldaten unten am Forum beobachteten, gelang es ihr, ihrem Vater Timonides, Primo und Rachel vorzustellen. Was für eine sonderbare Gruppe, dachte sie bei sich, die sich da in dieser Grotte aufhielt: ein wohlhabender hispanischer Kaufmann, ein Veteran der römischen Armee, ein griechischer Astrologe, eine jüdische Witwe, ein Held der germanischen Revolte und sie selbst, eine verunsicherte junge Frau, die letztlich ihren Weg gefunden hatte.
    »Wohin wollt ihr von hier aus?«, fragte Wulf in stockendem Lateinisch.
    »Nach Galicia«, sagte Sebastianus.
    Ein Schatten überflog Wulfs Gesicht. »Sie haben es auf mich abgesehen, nicht auf dich und deine Freunde. Vatinius wird nicht eher ruhen, bis er mich wieder in seiner Gewalt hat. Sobald ich die Grotte verlasse, werden sie Jagd auf mich machen. Für euch ist dann der Weg frei.«
    »Nein!«
    »Ulrika, ich muss zurück ins Rheinland, und du musst dem Mann folgen, der dein Ehemann ist.«
    »Wulf, mein geschätzter Freund«, sagte Sebastianus, »komm mit uns zum Hafen von Ostia. Dort kann ich veranlassen, dass man dich so ausstaffiert, dass dich niemand erkennt. Ich werde dich mit genügend Proviant ausstatten lassen und einem zuverlässigen Karawanenführer anvertrauen. Ich kenne sie alle, und viele von ihnen sind mir eine Gefälligkeit schuldig.«
    Sein Einverständnis nickend, gesellte sich Wulf zu Primo, der von seinem Beobachtungsposten aus die Menschenmassen auf dem Forum, darunter die Prätorianer-Gardisten, im Auge behielt.
    Ulrika wollte sichergehen, dass Rachel gut versorgt war, stellte aber fest, dass Timonides sich bereits um sie kümmerte und das Laub von der Marmorbank gewischt hatte, um es Jakobs Witwe bequem zu machen. Die kleine Zedernholzkiste mit ihrem kostbaren Inhalt stand wohlbehalten am Altar des Mithras.
    Auch Sebastianus beobachtete das Gewoge der Menschenmenge zwischen den Tempeln und den Regierungsgebäuden. Ulrika trat neben ihn. »Warum gehen wir nach Galicia?«, fragte sie.
    Er umfasste ihre Schultern und schaute sie ernst an. »Ulrika«, sagte er, »man mag es dem Zusammentreffen von Erdbeben und Pfuscherei am Bau zuschreiben, weshalb diese Mosaiksteinchen herabrieselten. Ich dagegen halte den Vorfall für ein Wunder, denn die Teilchen ergossen sich wie ein Sternenschauer, der dem in meiner Heimat in jener Nacht, als Lucius
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