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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
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zurückgekehrt in seine Welt der Gewalt.
    Winter drehte sich um, Ringmar saß noch immer da und starrte ihn wortlos an. Ringmar ist fünfzehn Jahre älter als ich und hat sicher begonnen, die Tage zu zählen bis zu einer besseren Welt, dachte Winter. Wenn der letzte Tag hier vorbei ist, nimmt er vielleicht das Schiff raus auf die Insel, zu seinem Häuschen auf Vrängö, um nie mehr zurückzukehren.
    »Was bedeutet das da auf dem T-Shirt?«, fragte Ringmar. »London Calling.«
    »Sehnsucht nach London! Das ist der Titel einer CD von einer Rockband. Macdonald hat sie mir geschickt.«
    »Rock? Du kennst dich doch mit Rockmusik gar nicht aus, oder?«
    »Eine Rockband habe ich jedenfalls gehört. The Clash.
    Macdonald hat mir die CD zusammen mit dem T-Shirt geschickt.«
    »The Clash? Was ist das?« »Das ist das englische Wort für Zusammenprall.« »Ich meine die Band. Kannst du Hardrock und Pop überhaupt auseinander halten?« »Nein. Aber es gefällt mir wirklich.« »Ich glaube das einfach nicht. Du stehst doch auf Coltrane.«
    »Es gefällt mir«, wiederholte Winter. »Das wurde aufgenommen, als ich neunzehn war oder so, aber es ist trotzdem Musik unserer Zeit.«
    »Hardrock«, murmelte Ringmar.
    Es klopfte an der Tür.
    Der Zeuge berichtete. Seine Gesichtshaut war gespannt und wirkte spröde nach einem Tag und einer Nacht ohne Schlaf. Aus seinen Augen sprach ernstliche Besorgnis über das, was in der Nacht geschehen war. Sein Kind hatte einen allergischen Schock erlitten, das Leben hatte auf der Kippe gestanden. Winter sprach ihn an.
    »Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden. In meinem Kopf dreht sich alles.«
    »Sie haben gesagt, Sie waren hinter den Männern.«
    »Ja.«
    »Wie viele waren es?« »Drei, wie ich gesagt habe.«
    »Sind Sie sicher, dass die drei zusammengehörten?«
    »Zwei von ihnen haben gewartet, während der dritte... der, der sie geschlagen hat... Sie haben gewartet, bevor sie weitergegangen sind.« Der Zeuge fuhr sich über die Augen. »Der sie geschlagen hat, war etwas kleiner, daran erinnere ich mich.« »Kleiner?« »Es sah so aus.« »Und Sie sind ihnen gefolgt?«
    »So lange wie möglich. Danach ist alles verdammt schnell gegangen. Zuerst war ich geschockt und bin wie erstarrt stehen geblieben. Dann dachte ich, das ist ja furchtbar, und bin ihnen gefolgt, um zu sehen, wohin sie gingen. Aber dann waren zu viele Leute auf dem Kungstorget. Und genau in dem Moment klingelte das Handy. Meine Frau schrie, dass Astrid keine Luft bekomme. Astrid ist unsere Tochter.«
    »Ja.« Winter blickte Ringmar an. Bertil Ringmar hatte selbst Kinder. Und Winter hatte zwar keine Kinder, aber er hatte eine Freundin, die nicht mehr warten wollte, bis er erwachsen genug wäre, um die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Erst vor vierundzwanzig Stunden hatte Angela das gesagt, bevor sie zur Feineinstellung ihrer biologischen Uhr zu ihrer Mutter nach Hause gefahren war. Wenn sie wieder da ist, werde ich erfahren, wie schnell sich die Zeiger bewegen, hatte Winter gedacht.
    »Es ist noch mal gut gegangen«, sagte der Mann, mehr zu sich selbst. »Astrid ist wieder in Ordnung.«
    Winter und Ringmar warteten. Die Luft im Zimmer bewegte sich kaum. Der Mann war mit derselben kurzen Hose und demselben Tennishemd bekleidet, die er am Abend zuvor getragen hatte. Kurze Bartstoppeln bedeckten sein Kinn, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen.
    »Wir sind dankbar, dass Sie nach dem... Unglück zu uns gekommen sind«, sagte Winter. »Direkt vom Krankenhaus.«
    Der Zeuge zuckte die Achseln. »Es gibt so viele, die nichts tun. Laufen herum und schlagen Leute nieder. Da kriegt man eine verdammte Wut.«
    Winter wartete darauf, dass er weiterredete.
    »Es ist wie auf der Arbeit. Dieses verfluchte Geschwätz über die Einwanderer. Als ob es auf einmal politisch korrekt wäre, zu sagen, dass es zu viele Flüchtlinge und Schwarze im Land gibt.«
    »Wo genau haben Sie die Bande aus den Augen verloren?«, fragte Ringmar.
    »Bitte?«
    »Die drei Typen, die unsere Kollegin niedergeschlagen haben. Wo genau sind sie verschwunden?«
    »An der Seite der Markthalle, wo es zum Kungsportsplatsen geht, würde ich sagen. Also bevor man zum Platz kommt.«
    »Haben Sie sie reden hören?«
    »Kein Wort.«
    »Sie haben keine Ahnung, woher sie kamen?«
    »Von irgendwo südlich der Hölle, wenn Sie mich fragen«, antwortete der Mann.
    »Geht's nicht genauer.«
    »Nein. Aber Schweden waren sie, waschechte Schweden, wie man so sagt.«
    Sie
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