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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
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Bergenhem sah auf die Uhr -»... in einer Viertelstunde.« »War sie dabei?« »Ja.«
    »Sonst niemand?«
    »Du weißt, dass das Fest noch läuft. Es waren Unmengen von Leuten dort. Da ist es doch oft so, dass keiner was bemerkt hat.«
    »Was für'n Mist«, rief Halders, »ich zieh hier weg, aus dieser verdammten Stadt.«
    Bergenhem gab keine Antwort.
    »Gefällt dir die Stadt etwa?«, fragte Halders. Er hatte sich gesetzt, war aufgestanden und hatte sich wieder hingesetzt.
    Bergenhem überlegte, was er antworten sollte. Fredrik war wütend - was nichts Neues war -, aber diesmal war es anders. Eher ein heiliger Zorn. Dahinter steckte mehr als das Mitgefühl mit einer Kollegin. Bald würde er zum Krankenhaus fahren, und gnade Gott dem, der vor Halders an einer gelben Ampel trödelte.
    »Es ist eben eine moderne Stadt«, sagte Bergenhem. »Das ist die neue Zeit, eben komplex.«
    »Komp... Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Zusammengesetzt. Es gibt Gutes, und es gibt Böses«, erklärte Bergenhem, und merkte selbst, wie abgedroschen das klang. »Man kann doch nicht eine ganze Stadt bitten, sich zum Teufel zu scheren.«
    »Da ist sie doch längst«, polterte Halders. »Kaum geht man friedlich auf der Hamngatan spazieren, kommt da schon so ein Teufel daher und zertrümmert einem den Schädel. Das kapier ich einfach nicht. Das kann man eben auch nicht einfach wieder so zusammensetzen, wie du mit deiner Stadt.«
    Bergenhem schwieg.
    »Ich weiß ja, es gibt gute und fröhliche Menschen und schöne Plätze und so, aber jetzt... aber jetzt...« Halders spürte einen Kloß im Hals und wandte sich ab. Er zog die Schultern hoch, und Bergenhem sah, wie Halders die rechte Hand hob und sich über das Gesicht fuhr. Er weint, dachte Bergenhem. Oder fast. Noch gibt es Hoffnung für Fredrik. Und er hat ja Recht, besonders in diesem Sommer. Wie viele Zwischenfälle haben wir in den letzten Wochen gehabt? Fünfzehn? Es ist wie eine Vorbereitung zum... Krieg oder so ähnlich. Guerillakrieg zwischen Göteborgs Banden. Gestern trafen...
    »Wer spricht mit dem Mädchen?«, Halders' Stimme schien von weit weg zu kommen. »Mit Anetas Freundin?« »Wir beide, wenn du willst«, antwortete Bergenhem.
    »Du kriegst das schon hin«, sagte Halders. »Ich fahre rasch zum Krankenhaus. Wie ist es übrigens dem anderen Typen ergangen? Dem, der auch Prügel abgekriegt hat.«
    »Er lebt«, antwortete Bergenhem.
    Halders fuhr ungeduldig und bemerkte nicht, dass die Lüftungsklappen Luft hereinließen, die heißer war als die im Auto. Er war schweißnass am Hinterkopf, aber das war ihm egal.
    Aneta saß im Bett, als er kam, oder wurde vielmehr durch Kissen aufrecht gehalten. Ihre Augen waren rot von geplatzten Äderchen. Die bekommt man lieber vom Saufen, dachte Halders.
    Ihr Gesicht war rundum bandagiert.
    Sie ist gerade erst aufgewacht. Ich sollte eigentlich nicht hier sein, überlegte er.
    Neben ihr stand ein hoher Plastikbecher mit einem Strohhalm, der in der Mitte gebogen war. Auf einem Rolltisch vor ihrem Einzelzimmer hatte er zehn Rosen gesehen. Die Krankenschwester hatte gesagt, sie dürften sie Aneta wegen der Infektionsgefahr nicht ins Zimmer stellen. Die Blumen ließen die Köpfe hängen.
    Haben die kein Wasser in die Vase getan?, hatte Halders sich gefragt. Das könnten meine Blumen sein.
    Er griff sich einen Stuhl und setzte sich darauf neben das Bett. »Wir kriegen sie«, begann er.
    Aneta bewegte sich nicht. Dann schloss sie die Augen.
    Halders war sich nicht sicher, ob sie eingeschlafen war. »So schnell, wie du dich erholst, haben wir die Kerle hinter Schloss und Riegel«, sagte er. »Sogar unsere schwarzen Mitbürger sollen sich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Straßen sicher fühlen können.«
    Sie reagierte nicht. Halders betrachtete den Kissenberg im Rücken der Kollegin. Es sah unbequem aus.
    »Da kommt einem fast der Gedanke, es wäre besser gewesen, wenn du zu Hause in Ouagadougou geblieben wärst«, wärmte Halders einen alten Scherz zwischen ihnen beiden auf. Aneta Djanali war im Östra-Krankenhaus in Göteborg geboren. »Ouagadougou«, wiederholte er, als könnte das Wort allein ihn beruhigen, oder vielleicht bewirken, dass es Aneta ein wenig besser ging.
    »Eigentlich ist das hier eine Gelegenheit, die nie mehr wieder kommt«, meinte er nach einigen Minuten des Schweigens. »Ausnahmsweise kann ich alles sagen, ohne dass du dich einmischst und die Überlegene spielst. Endlich hab ich mal die Ruhe, dir zu erklären, worauf
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