Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Baldessarini-Klamotten umgesehen. Dachte, ich kriege darin mehr Autorität. Wenn du länger hier auf der Wache geblieben wärst, hätten sie angefangen, Befehle von dir entgegenzunehmen.«
    »Und was ist daraus geworden?«
    »Woraus?«
    »Hast du einen Anzug gefunden?«
    »Nein. Ein gewöhnlicher Sterblicher kann sich das, was du anziehst, einfach nicht leisten. Ach, ich muss dich noch etwas fragen: Ist es wahr, dass du nicht jeden Monat erst aufs Gehalt warten musst, bevor du anfangen kannst, Geld auszugeben?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du hast im Frühjahr so was angedeutet.«
    »Hab ich das? Ich muss mich so auf die Arbeit konzentriert haben, dass ich nicht mehr aufgepasst habe, was ich da rede.«
    »Also bist du doch auf das Gehalt angewiesen?«
    »Was glaubst du denn? Etwas Geld hab ich zwar auf der Bank, aber so viel nun auch wieder nicht.«
    »Gut zu hören.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich wollte es nur wissen.« »Hast du deshalb angerufen?«
    »Eigentlich wollte ich hören, wie es dir geht. Es war schlimm im Frühjahr.«
    »Ja.«
    »Also?«
    »Was?«
    »Wie ist die Lage?«
    »Es ist heiß. Wir haben einen neuen Hitzerekord, obwohl eigentlich der Sommer längst vorbei sein müsste. Und ich habe gerade Urlaub.«
    »Danke für die Karte aus den Alpen.«
    »Aus den Bergen. Lappland. Das ist immer noch Schweden.« »Whatever. Danke, auf jeden Fall.«
    Es wurde still. Winter lauschte dem elektrostatischen Knistern in der Leitung.
    Macdonald räusperte sich vorsichtig. »Lass mal wieder von dir hören.«
    »Kann sein, dass ich Weihnachten rüberkomme und ein bisschen was einkaufe«, sagte Winter. »Zigarren? Hemden?« »Jeans, dachte ich.«
    »Pass auf, dass du nicht irgendwann aussiehst wie ich.« »Könnte ich auch sagen.«
    Sie verabschiedeten sich, und Winter legte den Hörer auf. Plötzlich spürte er einen Schwindel, und er stützte sich auf die Tischplatte. Doch nach einigen Sekunden hörte die Welt auf, sich um ihn zu drehen. Er ging in die Küche zurück, trank einen Schluck von dem kalt gewordenen Tee und überlegte, ob er frischen aufgießen sollte. Stattdessen stand er auf und trug Tasse und Untertasse zur Spüle.
    Er zog Shorts und ein kurzärmeliges Baumwollhemd an und schlüpfte mit den Füßen in die Sandalen. Dann verstaute er sein Portmonee in der linken Brusttasche und vergewisserte sich, dass der Schlüsselbund noch vom Vortag in der Tasche steckte. Das Handy ließ er auf dem Nachttisch liegen.
    Als er nach der Türklinke griff, hörte er draußen den Briefträger herumalbern, und die Post fiel ihm vor die Füße. Er bückte sich und sah sie durch. Das Polizeiblatt, zwei Umschläge von der Bank, eine Zeitschrift in einem weißen Umschlag, eine Benachrichtigung über ein mehr als ein Kilo schweres Päckchen, das auf dem Postamt in der Avenyn abgeholt werden konnte. Eine bunte Ansichtskarte stach aus all dem Weiß hervor. Er hob sie auf und drehte sie um. Macdonald sandte Grüße von einem Besuch in den schottischen Highlands. »Wir haben auch Alpen«, schrieb er, und Winter betrachtete die Vorderseite. Ein schneebedeckter Gipfel, der sich über eine Ortschaft neigte, in der Häuser standen, altertümlich wie aus einer anderen Zeit.
    Die Wärme schlug ihm ins Gesicht. Die Luft über dem Vasaplatsen flimmerte. Ein paar Leute standen im Schatten des Häuschens an der Straßenbahnhaltestelle auf der anderen Seite des Parks; ihre Körper nur schwarze Silhouetten.
    Er holte das Fahrrad aus dem Keller und fuhr die Vasagatan entlang, dann links hoch am Skanstorget vorbei. Bevor er den Linneplatsen erreichte, war das Hemd nass. Ein angenehmes Gefühl. Der Rucksack schlug ihm gegen die Schulterblätter. Er beschloss, weiter Richtung Süden zu fahren, und strampelte in dem grellen Licht den Weg hinaus bis Askimsbadet. Dort machte er eine Pause, trank eine Dose Ramlösa-Mineralwasser. Dann fuhr er weiter, am Golfplatz in Hoväs und an Järkholmen vorbei. Er stellte das Rad zu den übrigen neben den Fahrradweg, kletterte zu dem kleinen Strand hinunter und stürzte sich, so schnell er konnte, ins Wasser.
    Danach lag er in der Sonne und las, und wenn es zu warm wurde, ging er wieder schwimmen. Das war sein Urlaub, und genau so wollte er diesen Sommer verbringen. Es war schon Nachmittag, als er sich auf den Heimweg machte, und die Sonne stand schon tief im Westen. Er genoss das trockene Gefühl an den Füßen, als er den Sand abbürstete und sie in die Sandalen schob. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher