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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
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es in unserem Beruf ankommt.«
    Aneta Djanali hatte die Augen geöffnet und sah Halders mit einem Blick an, den er wieder erkannte.
    Sie ist verletzt, aber zum Glück hat es nur ihren Kiefer erwischt, dachte er. Das ist die Gelegenheit, ungehindert zu Wort zu kommen.
    »Das Wichtigste dabei ist, die Kontrolle zu behalten«, begann er. »Wenn wir die Kerle schnappen, werden wir uns unter Kontrolle haben, so lange es nur geht, und dann werden wir einfach 'nen Fehler machen. Denen zeigen, dass wir auch bloß Menschen sind. Bullen sind auch bloß Menschen, meine ich.«
    Wie zum Teufel trinkt sie mit dem Strohhälmchen da aus diesem Becher?, fragte er sich. In dem Verband ist ja gar keine Öffnung für das Röhrchen. Steht das Zeug nur so zum Schein da? Bekommt sie nicht alles, was sie braucht, aus dem Tropf?
    Wie lange wird sie hier liegen müssen?
    »Es heißt, dass Winter seit dem Frühjahr ein bisschen spinnt«, sagte Halders. »Er ist den ganzen Urlaub über mit abgeschnittenen Jeans herumgelaufen und mit einem T-Shirt, auf dem >London Calling< steht. Es geht das Gerücht, dass er während des Urlaubs mal oben in der Abteilung war, um sich irgendwelche Papiere zu holen, und dass er unrasiert und lange nicht beim Friseur gewesen war.«
    Aneta Djanali schloss wieder die Augen.
    »Ich kann kaum erwarten, dass es Montag ist«, meinte Halders. »Dann sind wir alle wieder zusammen, bis auf dich, aber ich kann was auf deinen Stuhl legen, damit es so aussieht, als wärst du doch dabei, Aneta.« Er beugte sich vor. »Sieh zu, dass du das hier hinkriegst, Aneta.« Er atmete den bedrückenden Geruch des Zimmer sein. »Ich vermisse dich«, sagte er.
    Dann stand er auf, stellte ungeschickt den Stuhl weg, ging ums Bett herum und aus dem Zimmer. Im Flur warf er einen Blick in die Vase, sie war voll Wasser.
    Warum lassen die Blumen dann die Köpfe hängen, fragte er sich.
    Winters wartete nicht erst bis Montag. Er beschloss sofort, seinen Urlaub abzubrechen, als Ringmar anrief und ihm das Wichtigste erzählte. Winter traf diese Entscheidung nicht aus Pflichtgefühl, im Gegenteil, es war eher eine egoistische, vielleicht therapeutische Handlung.
    »Das ist wirklich nicht nötig«, meinte Ringmar.
    »Ich habe genug vom Sand zwischen den Zehen«, erwiderte Winter.
    Am selben Nachmittag betrat er sein Zimmer und zog die Jalousien hoch. Es roch nach Staub und Arbeit. Die Schreibtischplatte war leer. Perfekt, dachte er. Vielleicht kann ich es wie der Chef machen: die Ermittlungsunterlagen vom Schreibtisch fern halten und in die Schubladen stopfen.
    Sture Birgersson war Leiter der Fahndung und hatte es verstanden, seinem Stellvertreter die ganze Verantwortung aufzuladen. Das bedeutete, dass Winter Chef von dreißig Kriminalbeamten war, die in der Stadt die Kriminalität bekämpften. Die Fahndung ersetzte bei der Bezirkspolizei irgendwann das herkömmliche Fahndungsdezernat, aber an der Sache änderte das nichts. Selbst wenn die alte Bezeichnung verschwunden war, ging die Fahndung nach Verbrechern einfach weiter, nur, dass die früheren Kriminalassistenten jetzt Inspektoren waren. »Endlich ist man wer«, hatte Halders gesagt, als 1995 die Beförderung kam. Der höhere Dienstgrad war allerdings nicht mit höherem Gehalt verbunden. »Aber man ist doch gleich ganz anders motiviert, wenn man sich als Inspektor auf die mean streets of Göteborg begibt«, hatte Halders kommentiert.
    »Mach die Tür zu«, sagte Winter zu Ringmar, der gerade den Raum betrat. »Was sagst du dazu?«, fragte er, noch bevor Ringmar sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch gesetzt hatte.
    »Wir haben es mit ganz üblen Typen zu tun. Hoffentlich sind sie nicht von hier«, antwortete Ringmar.
    »Glaubst du das?«
    »Das sagen zumindest die Leute«, gab Ringmar zu. »Wir befinden uns in einer prekären Lage. Ich weiß nicht, wie viel du schon gehört hast, aber du siehst ja auch die Nachrichten. Ob das mit der Hitze zusammenhängt?«
    »Die Demonstrationen?«
    »Ja, aber das ist noch nicht alles. Es brodelt in der Stadt, oder wie auch immer man es nennen will. Vergangene Woche haben wir ein Dutzend Bandenschlägereien gehabt oder standen kurz davor. Ja, sogar Schlägereien. Ich weiß nicht, wie viele Nationalitäten, einschließlich der schwedischen, daran beteiligt waren. Es ist einfach furchtbar, Erik. Es gibt da etwas... ich weiß nicht, was es ist... Hass... etwas, das die Leute dazu bringt, sich zu prügeln oder zumindest damit zu drohen. Aber trotzdem. Wir tun, was
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