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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte
Autoren: Susanne Fröhlich
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    Die Karte ist voll. Lauter kleine blau-weiße Klebepünktchen. Ein erhebendes Gefühl. Und welch ein Anblick. Endlich! Nach monatelangem emsigem Sammeln und eifrigem Einkleben kommt jetzt der lang ersehnte Moment. Mit der vollgeklebten Karte in der Hand fühle ich mich wie die Klassenbeste vor der Lieblingslehrerin. Ja, auf mich ist Verlass! Ich bin ein treuer Mensch, eine treue Kundin. Fast schon verwunderlich, dass die Tankstelle kein Feuerwerk veranstaltet oder nicht zumindest einen Tusch spielt.
    Jetzt wird sie, die Frau an der Tankstellenkasse, mir gleich den wohlverdienten Preis für mein vorbildliches Verhalten überreichen. Von wegen.
    Ich wollte die Pulsuhr und bekomme den Picknickrucksack. Ein Picknickrucksack. Etwas, was der Mensch nun wahrlich nicht braucht. Und das auch noch in Schwarz-Gelb. Was denken sich diese Tankstellenbonusprogrammerfinder eigentlich? Bin ich vielleicht Biene Majas Cousine oder Fanclubmitglied bei Borussia Dortmund? Aber Treuepunkte kann man eben nur da einlösen, wo man sie her hat. Das ist das Grunddilemma. Wie herrlich wäre es, mit den Tankstellentreuepunkten zu Dior zu schlendern und sich mal richtig gehen zu lassen. Oder zu Hermes. Oder wenigstens zu Hennes und Mauritz. Aber so geht es nun mal nicht.
     
    Eine Ehe ist ein bisschen wie eine Tankstelle. Erst ist man überwältigt vom grandiosen Angebot und der permanenten
Öffnungszeit. Doch je häufiger man hingeht und je besser man sich auskennt, umso ernüchterter wird man. Viel ist eben nicht alles. Und irgendwann ist auch das größte Angebot überschaubar und genau das, was man will, ist nicht zu haben. Will man es vielleicht gerade deswegen, weil man weiß, dass man es hier nicht bekommen kann? Ist das vielleicht die deutlichste Parallele zur Ehe? Will man auch hier genau das, was man nicht bekommen kann, weil der Partner es sozusagen nicht im Sortiment hat und es im schlimmsten Fall auch nie hatte?
    Es gibt verschiedene Tankstellen. So wie es auch verschiedene Ehemänner gibt. Große, mit Ausmaßen wie die von Mega-Supermärkten. Kleine, friemelige, die immer noch so aussehen wie früher – an schlecht beleuchteten Landstraßen gelegen ohne frische Brötchen und schnieke Cappuccinomaschinen, dafür aber mit Truckerkost wie »Pralle Möpse« und Zigaretten. Im Endeffekt spielt das aber keine Rolle. Wenn ich mich nach prallen Möpsen sehne, nutzt mir auch der tollste Cappuccino nichts. Denn wer sich nach prallen Möpsen verzehrt, lässt sich kaum durch einen Cappuccino ruhigstellen. Jedes Angebot ist begrenzt, egal, wie vielfältig es zu Beginn scheint. Was heißt das übertragen auf die Ehe? Gibt es keine Ausnahme, keine Überraschung? Wahrscheinlich nicht. Denn letztlich ist eine Tankstelle eine Tankstelle und ein Ehemann ein Ehemann. Da helfen auch kein Bonusprogramm und keine Treuepunktesammelkarte – was nützt einem ein Picknickrucksack, wenn man keinen braucht?
    Muss man sich damit abfinden, dass man eben nicht alles haben kann, was man will? Und was ist eigentlich mit meiner ganz persönlichen Tankstelle? Meinem Mann?
    Er ist wie er ist. Das ist gut und schlecht. Gut, weil es angenehm ist zu wissen, wie jemand ist. Wie er reagiert, was er in den nächsten zehn Sekunden tun wird. Berechenbar eben. Schlecht, weil damit alles, was mit Überraschung zu tun hat, wegfällt. Und wo keine Überraschung ist, kommt ganz schnell die große lähmende Langeweile angekrochen, unaufhaltsam wie Lava, und je mehr Langeweile da ist, umso mehr sucht man nach Abwechslung und der tollen Überraschung.
    Aber – weder ein Mann noch eine Tankstelle sind Wunschkonzerte. Das Leben ist ja auch keins. Den Spruch konnte ich nie leiden, aber, das muss man ihm lassen, an ihm ist was dran. Die Amis sagen: »What you see is what you get«, und so ist es auch. Was will uns dieser Satz sagen: Augen auf beim Männerkauf?
     
    »Sie könne aach die Bademantel habe, wenn se noch dreizehn neuneneunzich druffzahle«, bietet mir die Verkäuferin an. Ich glaube, sie hat gesehen, wie enttäuscht ich bin. Aber ich habe schon einen Bademantel, den ich nicht anziehe. Mein Bademantelbedarf ist somit absolut ausreichend gedeckt. Bademäntel gehören zu den Klamotten, die sich wenig zum Objekt der Begierde eignen. Bei Schuhen, Hosen oder Schmuck kann ich maßlos werden. Bademäntel gehören nicht in diese Kategorie. Da bleibt meine Kreditkarte völlig ruhig. Wem soll man so einen Frottémantel auch schon vorführen? Ich könnte ihn natürlich für meinen
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