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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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verdammten Wagen gefunden haben.« Er ließ die Hand in seine Tasche gleiten und tastete nach seinem Mobiltelefon. Hatte er womöglich einen Anruf verpasst?
    McSorley schnaubte. »Wer auch immer es war, dem gebe ich gern einen aus. Sag mal, Davy, du hast McKenna doch gekannt, oder?«
    »Ziemlich gut sogar«, sage Campbell. »Er war nicht gerade begeistert, als ich da oben meine Zelte abgebrochen habe und hier runtergekommen bin. Hat mir gedroht, er würde mir die Kniescheiben zertrümmern, wenn ich mich noch mal in Belfast blicken lasse.«
    »Dann scheint dir ja jemand einen Gefallen getan zu haben.«
    Campbell dachte einen Moment darüber nach. »Kann sein. Aber das wird Ärger geben. Die Jungs in Belfast werden das nicht einfach so hinnehmen. Irgendeiner muss dafür blechen, verlass dich drauf.«
    McSorley kicherte, seine rotgeäderten Wangen leuchteten.
    »Du machst ein Gesicht, als wärst du darüber kein bisschen traurig«, sagte Campbell.
    »Traurig?« McSorley grinste und schob sich sein schon grau werdendes Haar aus der Stirn. »Ich bin so glücklich wie ein Hund mit zwei Schwänzen und zwei Straßenlampen zum Pissen. Wie heißt es doch so schön, Davy: tiocfaiflo dr Id. Unser Tag wird kommen.«
    Er legte Campbell den Arm um die Schulter und lehnte sich dicht an ihn. Sein Atem ließ die Haare in Campbeils ungepflegten Bart flattern. »Diese Scheißkerle in Belfast geben schon viel zu lange den Ton an. Die haben abgesahnt und uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Weißt du was? Ich bestelle jetzt erst mal eine Runde, und dann trinken wir auf diesen Hurensohn, der Michael McKenna umgebracht hat.«
    Campbell stand auf und ließ McSorley aus der Nische rutschen. Auf halbem Wege zur Bar blieb McSorley stehen und kam noch einmal zu Campbell zurück. Er reichte ihm die Hand. Campbell nahm sie.
    »Kerle wie dich können wir gebrauchen, Davy«, sagte McSorley und quetschte Campbell beinahe die Finger. »Ich bin froh, dass du bei uns bist.«
    Dann ließ er Campbells Hand los und drehte ab. Campbell wischte sich die Finger an seiner Jeans. Er rutschte wieder auf die Bank und bemerkte, dass Hughes und Comiskey ihn beobachteten.
    »Was ist?«, fragte er.
    Comiskey bedachte ihn mit einem schiefen Grinsen. »Den kannst du vielleicht an der Nase herumführen, Davy, aber mich nicht. Denk immer dran, dass ich dich im Auge behalte.«
    »Ach ja?« Campbell hob die Augenbrauen und grinste zurück.
    »Genau. Wenn du nur einen falschen Schritt machst, habe ich dich am Schlafittchen, Kleiner.« Comiskey setzte die Ellbogen auf den Tisch, formte mit den Fingern eine Pistole und spannte den imaginären Hahn. »Klick, klick, Davy.«
    »Jederzeit, Kumpel«, gab Campbell zurück. Er hielt Comiskeys stierem Blick lange genug stand, bis er seinen Worten Nachdruck verliehen hatte, dann schaute er durchs Fenster auf die Berge. Er dachte an die Leiche von Michael McKenna in seinem Wagen in Belfast und verspürte ein Kribbeln im Bauch, das eine Mischung aus Vorfreude und kaltem Grauen war.

Zwei Polizeibeamte saßen Fegan am Tisch gegenüber, rechts von ihm hatte Patsy Toner Platz genommen. Der Vernehmungsraum der Polizeiwache in der Lisburn Road verströmte die nichtssagende, kalte Atmosphäre eines Krankenhauses.
    »Und Mr. McKenna ist also einfach gegangen, nachdem er Sie ins Bett gebracht hatte?«, fragte der ältere Polizist.
    »Mr. Fegan hat diese Frage bereits beantwortet«, mischte sich Toner ein. Sein zerknitterter marineblauer Anzug sah aus, als hätte er ihn sich in aller Eile über den hageren Körper gestreift.
    »Nun, dann möchte ich eben, dass er sie uns noch einmal beantwortet. Nur um sicherzugehen.« Der Beamte lächelte.
    »Soweit ich weiß, ja, er ist gegangen«, antwortete Fegan. »Ich war betrunken. Kaum lag ich in der Koje, da war ich auch schon weggetreten.«
    In Wahrheit hatte er in der vergangenen Nacht nur sehr wenig geschlafen. Anderthalb Stunden hatte es ihn gekostet, sich einen Heimweg durch die Straßen zu suchen und dabei die Überwachungskameras zu vermeiden. Zwei Straßen von seinem Zuhause entfernt war er über eine Mauer in den Hinterhof verlassener Häuser geklettert und hatte die Waffe in einem baufälligen Schuppen unter einem Holzstapel versteckt. Dann war er leise in sein Haus geschlüpft und sofort nach oben gegangen. Zum ersten Mal seit zwei Monaten legte er hin und wurde in Ruhe gelassen, doch das Klingeln in seinen Ohren und die Erinnerung an das erbarmungslose Grinsen des Jungen sorgten
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