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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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wurde. Der Geruch von hartgekochten Eiern hing im ganzen Raum und verscheuchte seinen Hunger, den er auf der Fahrt hierher mit Bildern von aufgeschnittener Rauchwurst, frischem Weißbrot und eingelegten Salzgurken gepflegt hatte.
    Georg kniete sich vor Viola hin und schaute sie an. Sofort flatterte ihr Blick durch den Raum, hilfesuchend.
    »Was ist hier los?« Unsanft rüttelte er Viola an der Schulter. Wenn jemand krank war oder sonst etwas, dann hatte er ein Recht darauf, es zu erfahren! »Viola! So sprich doch mit mir. Ich will auf der Stelle wissen, was los ist!«
    Viola lachte. Zumindest nahm er an, dass die Grimasse ein Lachen sein sollte. Hatte seine Stiefmutter den Verstand verloren? Georg versuchte noch ein paar Mal, etwas aus ihr herauszubekommen. Vergebens. Mit einem Streicheln über ihre faltig gewordene Wange verließ er den Raum.
    Er ging von Zimmer zu Zimmer. Stieß alle Türen auf. Rief nach Frederick. Nach Dorothea. Nach Elisabeth. Er fand niemanden. Keine Familie, keine Dienstboten. Wo waren sie alle, Herrgott noch mal?
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als im Gesindehaus nachzuschauen. Luise, die würde ihm sagen können, was los war. Wahrscheinlich lag allem eine simple Erklärung zugrunde, versuchte er sich zu beruhigen. Wahrscheinlich waren alle zu Alexander von Hohenweihe gefahren.
    Er blieb abrupt stehen. Er hatte doch wohl nicht Dorotheas Hochzeitstermin verpasst? Nein, das konnte nicht sein. Und warum saß die alte, verwirrte Frau, die Viola war, unten im dunklen Speisezimmer?
    Er zog die Haustür hinter sich zu und schaute sich um. Keine Menschenseele. Statt ums Haus herum ging er in Richtung Saline. Er würde Götz Rauber aufsuchen. Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, als er ihn wieder verwarf. Es sähe doch zu dämlich aus, wenn er so einfach mitten in der Nacht nach einem halben Jahr Abwesenheit bei seinem Vorsteher eintrudeln und sich nach seiner Familie erkunden würde. Er drehte auf dem Absatz um.
    Rosa. Es blieb nur Rosa übrig.
    Sein Herz machte einen Hüpfer, dem seine Füße zu folgen versuchten. Um schneller bei ihr sein zu können, ging er quer durch den Garten. Den Schleichweg durch die Lücke in der Hecke hätte er mit verbundenen Augen gefunden.
    Als er Licht in der kleinen Hütte brennen sah, war er so erleichtert, dass er einen kleinen Juchzer ausstieß.
    Er lachte breit und öffnete die Tür.
    Da traf ihn fast der Schlag.
    Elisabeth stand vor ihm, mit einem Säugling auf dem Arm, der eher aussah wie ein Vögelchen, das viel zu früh aus seinem Nest gestoßen worden war.
    »Georg!« sagte sie, als habe sie ihn erwartet. Ihre Augen glänzten fiebrig.
    Er versuchte, einen Blick in die Hütte zu werfen, und sah Rosa schlafend auf dem Lager liegen.
    »Georg«, wiederholte Elisabeth. Sie hielt ihm das Kind hin. »Wir haben einen Sohn.«
    In dem Moment glaubte er, den Verstand zu verlieren. Und im selben Moment nahm er den Geruch zum ersten Mal wahr.

49
    Dorothea wusste selbst, dass es lächerlich war, doch sie konnte nicht zu Götz unter die Decke kriechen, ohne vorher das Stück Salz auf den kleinen Tisch neben ihrem Lager gestellt zu haben. Schon vor längerer Zeit hatte sie einige Öllampen von zu Hause mitgebracht - das spärliche Licht in der kleinen Hütte störte sie mehr als alles andere -, und gegen eine solche war jetzt der Salzbrocken gelehnt. Obwohl Götz bereits über ihren Rücken strich, konnte sie sich nicht dazu bringen, die Lampe auszumachen und sich ihm zuzuwenden. Wie schön die Kristalle glänzten! Nicht silbern, wie man es vielleicht bei dem grauen Salz erwartet hätte, sondern golden schimmerten sie. Dorothea lachte.
    »Was ist denn nun schon wieder?« fragte Götz lächelnd.
    »Der Schacht wird eine Goldgrube werden!« erwiderte Dorothea.
    »Na, warten wir’s ab«, antwortete er. »Vielleicht ist’s mit dem Segen bald wieder vorbei. Außerdem: Ohne Gold kann man leben - ohne Salz jedoch nicht.«
    Als Dorothea sich umdrehte, ihre Stirn in eine steile Falte gelegt, sah sie, dass er grinste. »Du widerlicher Kerl! Warum musst du mich immer wieder auf den Arm nehmen? Bei dir weiß ich manchmal wirklich nicht, ob du Spaß machst oder Ernst!« Sie zog scherzhaft an seinem Ohr.
    »Und das ist gut so! Nein, das ist sogar mehr als gerecht. Ich weiß schließlich auch nicht immer, woran ich mit dir bin.«
    »So, bei was zum Beispiel?« Dorothea zog die Brauen hoch. Sie hatte einen ernsten Ton zwischen Götz’ Worten herausgehört. Und tatsächlich, er
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