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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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Zweifel, aber ich teile sie nicht«, sagte sie leise. »Du glaubst, dass uns jetzt, wo wir unser Ziel erreicht haben, nichts mehr verbindet.« Als er dazu schwieg, bemühte sie sich, das in Worte zu fassen, was ihr gerade erst klar wurde. »Verdammt noch mal, es ist nicht nur das Salz, das uns verbindet!« sagte sie rauh. »Vielleicht war das am Anfang so!« Sie wagte nicht, es auszusprechen, aber immer wieder gingen ihr dieselben drei Worte durch den Kopf: Ich liebe ihn. Gott, wie sie diesen Mann liebte! Ob der Schacht nun viel oder wenig Salz liefern würde, ob Georg nun heute oder morgen zurückkäme, ob er sie aus dem Haus jagen oder ihre Leistung, ihre Arbeit anfechten würde - alles schien plötzlich gleichgültig. Wenn es sein musste, würde sie mit Götz hier in dieser elenden Hütte leben. Natürlich würde es dazu nicht kommen, raunte sogleich eine kleine Stimme in ihr Ohr. Selbst wenn Georg sie ohne einen Heller verstoßen würde, hätten sie immer noch die zehn Prozent, die sie Götz schriftlich zugesichert hatte. Die Unterschrift eines von Graauws war bindend, Georg würde nicht zurücknehmen können, was sie unterschrieben hatte. Ja, sie würde sich zu wehren wissen. Mit Götz an ihrer Seite würde sie sich zu wehren wissen. Aber ohne ihn? Ohne ihn war nichts etwas wert.
    »Kennst du das Märchen vom König und dem Salz?« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    Er schaute sie aus dunklen Augen an, wachsam, innig.
    »Ich liebe dich mehr als das Salz«, sagte sie, bevor sie der Mut wieder verließ.
    Götz nahm sie in den Arm, drückte sie fest an sich, doch er antwortete nichts.
    Wollte er sie nicht? Machte sie sich lächerlich mit ihren Gefühls—
    Wallungen? Dorothea musste schlucken. Doch der Kloß in ihrem Hals verschwand dadurch nicht.
    Nichts, kein Augenblick in ihrem bisherigen Leben war so wichtig gewesen wie dieser hier, erkannte sie. Sie spürte, wie ihr Herz gegen seine Brust schlug, heftig, fordernd. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte ihn geschüttelt. Sie musste Bescheid wissen. Sie hatte nicht mehr die Kraft, zu warten.
    »Ich liebe dich auch. Und ich werde einen Teufel tun, dich je wieder wegzulassen!«
    Nach einer viel zu kurzen Ewigkeit, hoben beide gleichzeitig den Kopf, wie Tiere, die eine nahende Gefahr witterten. Sie schauten sich an. Zwischen den Schweiß und die Leidenschaft, die die Luft in der Hütte bestimmten, hatte sich etwas gedrängt, das nicht hineingehörte: Rauch, der Geruch nach brennendem Gebälk.
    Aufgescheucht schwang Dorothea die Beine auf den Boden. Zum Fenster brauchte sie nur drei Schritte. Dort drehte sie sich um, hölzern wie eine Marionette. »Götz! Der Schacht brennt!«

50
    Rosa wusste, dass sie aufstehen musste. Und doch wollte es ihr nicht gelingen. Seit Tagen schon nicht. Auf ihrem Lager war sie sicher vor all den Entscheidungen, die sie treffen musste. Doch selbst hierher, zwischen die zerwühlten Decken und dem prall mit Gänsedaunen gefüllten Kissen, verfolgte sie die Frage: »Wie soll es weitergehen?«
    Sie rief sich Georgs Gesicht vor Augen. »Georg.« Sie stellte erstaunt fest, dass ihr Herz aufgehört hatte zu flattern, wenn sie seinen Namen laut aussprach. Sie versuchte es erneut. »Georg.« Ihr einsamer Ruf prallte ohne Echo von den Wänden ihrer Hütte ab.
    Erst heute früh war er wieder bei ihr gewesen.
    Seit seiner Rückkehr war er jeden Tag gekommen. Aber so sehr sie sich auch bemühten, die alte Vertrautheit wiederherzustellen - es war doch nicht mehr, wie es war. Seine Umarmungen waren immer noch weich und warm, und Rosa ließ sie über sich ergehen. Aber sie war innerlich nicht beteiligt. Statt dessen wurde sie aufgefressen von all den ungeklärten Fragen, die in der Luft hingen.
    Dabei hatte sie ihn so sehr vermisst! Sein liebes Gesicht. Seinen sehnigen Körper, der kräftiger war, als es den Anschein hatte. Seine Hände, die jede Faser ihres Leibes zum Vibrieren bringen konnten. Es hatte während Georgs Abwesenheit Tage gegeben, an denen das Verlangen nach ihm sie zu zerschmettern drohte.
    Von diesen Momenten hatte Georg jedoch nichts wissen wollen. Nicht an diesem Morgen und auch nicht an den Tagen davor. Statt dessen hatte er erzählt. Belangloses, von seiner Reise, den Heilbädern, seinem Freund. Als ob sie das interessiert hätte! Bald war sein Redefluss versiegt wie ein Rinnsal, das nicht zu einem Bach gelangte, sondern irgendwo zwischen den Wiesen versickerte. Was nun? hatte die betretene Stille geschrien. Vor
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