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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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zu werden.
    Rosa holte Luft. Es musste sein. »Ich bekomme ein Kind.« Sie hob ihre Hand, was so unendlich viel Kraft kostete, dass sie einen Augenblick glaubte, es nicht zustande zu bringen. »Frag nichts. Ich erkläre dir alles später. Du musst mir helfen. Die Geburt wird schwer. Nicht wie bei anderen Weibern. Ich …« Der Schmerz Riss ihr den Rest des Satzes aus dem Mund.
    »Du bekommst ein Kind«, wiederholte Elisabeth. Ihre Augen waren groß und verwundert.
    »Geh und öffne alle Schubladen. Und die Tür. Nur einen Spalt!« wies sie ihre Besucherin an.
    Elisabeth tat, was Rosa ihr aufgetragen hatte, ohne zu fragen warum. Rosa war zu schwach, um ihr zu erklären, dass ein Kind sich auf dem Weg in diese Welt nicht in einer geschlossenen Tür oder einer Schublade verheddern durfte. »Jetzt geh zum Kräuterschrank, und greife ins oberste Fach. Ja, das ist das Kraut, das ich brauche. Gib es mir, das ganze Bündel!« Als Elisabeth an ihr Bett trat, Riss Rosa ihr das Büschel Beifuß fast aus der Hand und hielt es sich vor die Nase. Der würzige Duft stieg hoch in ihre Stirn. Freya schickte den Weibern dieses Kraut, damit es sie während der Geburt beschütze. Es war alles, was Rosa jetzt noch hatte.
    Nie und nimmer hatte sie geglaubt, dass das Kind so früh auf diese Welt drängen würde! Der nächste Vollmond, den sie als Geburtstermin berechnet hatte, lag noch fast drei Wochen vor ihnen. Noch nicht einmal ihr Bettstroh hatte sie vorbereitet, und außer etwas Thymian und Labkraut war nichts in der Hütte, was sie zu einem Frauenbündel hätte binden können. Sie war einfach noch nicht bereit, das Kind zu kriegen. Ihr Kopf war nicht bereit, ihr Herz war nicht bereit und ihr Körper auch nicht.
    Sie hatte genügend Geburten erlebt, um zu wissen, dass sie nicht fühlte wie andere Gebärende: Spätestens zu dem Zeitpunkt, wenn sich das Wasser, welches das Kind im Leib umhüllte, aus einer werdenden Mutter ergoss, wurde diese vom innigsten Wunsch erfasst, ihr Bündel auf die Welt zu bringen. Die einen konnten es nicht abwarten, herauszufinden, ob sich ein heißersehnter Junge oder nur ein Mädchen einstellte, die anderen wollten die Geburt einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen, um nicht allzu lange von der Arbeit wegzubleiben. Es gab sogar welche, die es schön fanden, ein Kind zu kriegen. »Wenigstens etwas gibt es auf dieser Welt, das nur wir Frauen können und die Männer nicht«, hatte Elfriede bei der Geburt ihres letzten Kindes gesagt und es fast wollüstig aus ihrem Leib gepresst. Rosa wollte das nicht! Sie wollte nicht, dass dieses Kind zur Welt kam.
    Aber das Kind war bereit.
    Inzwischen war es Elisabeth tatsächlich gelungen, ein Feuer zu entfachen. Mit rotem Gesicht rannte sie zwischen der Ofenstelle und Rosas Lager hin und her, drückte ihre Hand und rührte gleich darauf wieder den Tee um. Rosa wies sie an, ihre tönerne Kräuterschale zu holen und einen Teil des Beifußes darin zu verbrennen. Kaum stieg der hellgraue Rauch aus der Schüssel empor, spürte sie, wie sich ihre Eingeweide ein wenig entkrampften. Vielleicht würde doch noch alles gut werden.
    Auch Elisabeth holte tief Luft und atmete wieder aus. Ihre Brust hob und senkte sich so heftig, als ertrüge sie selbst die Wehen.
    Mit wenigen Worten versuchte Rosa ihr zu erklären, was als nächstes geschehen würde. »Die Schmerzen - vielleicht kann ich nachher nicht mehr reden.« Jedes Wort kostete Kraft.
    Elisabeth hörte aufmerksam zu und nickte. Aus ihrem Atmen war ein Keuchen geworden. Eine steile Falte hatte sich zwischen ihren Augen gebildet.
    Verstand das Weib, dass es auf sich alleine gestellt sein würde? fragte sich Rosa bang.
    »Ich pass’ auf dich auf. Auf dich und mein Kind«, hörte sie Elisabeth sagen. »Nie und nimmer lass’ ich euch sterben, das schwöre ich dir!«
    Hatte sie sich verhört? Hatte Elisabeth »mein« Kind gesagt? fragte sich Rosa, bevor die größte aller Wellen sie hinabriss in die Bewusstlosigkeit.

47
    Immer wieder wachte Rosa aus ihrer Bewusstlosigkeit auf, schrie mit krampfverzerrtem Gesicht, nur um kurze Zeit später wieder ohnmächtig zu werden. Gegen Mittag war eine solche Bruthitze in dem kleinen Raum, dass Elisabeth nur noch in kleinen Zügen Luft holen konnte. Sie fühlte, wie der Schweiß zwischen ihren Brüsten hinabrann und auf ihrer Haut eine kalte Spur hinterließ. Mit ungeübten Fingern rüttelte sie am Fenstergriff, bis es endlich einen Spalt weit offen war. Doch kaum war Rosa wieder
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