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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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durch den Schachtbau schon geschehen war.
    Und Georg? Wo passte der hinein? Natürlich dort, wo Dorothea ihn in ihrem Plan vorgesehen hatte: Als das Feuer gelöscht gewesen war, war sie so schnell davongerannt, dass er ihr nur noch dumm hatte nachschauen können. Wie sich herausstellte, war sie nicht vor ihm geflüchtet, was er im ersten Moment angenommen hatte.
    Kurz darauf sei sie nämlich schon wieder zurückgekommen. Georg habe noch am selben Platz gestanden, voller Fragen, die ihm bislang keiner beantwortet hatte. Aber die Blicke der Rehbacher seien bei weitem nicht so feindselig gewesen, wie er dies erwartet hätte. Ein Stück Steinsalz hätte Dorothea ihm dann hingehalten und ihm vor allen anderen erzählt, wie es dazu gekommen war. Was war ihm übrig geblieben, als staunend und sprachlos die Neuigkeiten aufzunehmen? Sie war aber auch ein Teufelskerl, seine Schwester!
    »Du bist eine dumme Kuh, Rosa! Du solltest dich eigentlich freuen, dass Georg seine eigenen Pläne den Rehbachern zuliebe verwirft!« Rosa lachte bitter, ihr fiel vor lauter Sorgen gar nicht auf, dass sie ihre alte Gewohnheit, mit sich selbst zu sprechen, wiederaufgenommen hatte. Dafür war er nun ein halbes Jahr durch die Welt gereist. Dafür hatte er sie zurückgelassen. Sie und … das Kind, das sich schon wieder in ihre Gedanken einschlich. »Noch nicht, mein Sohn, noch nicht!« Sie wusste nicht, ob sie die Worte nur dachte oder flüsterte.
    Die Rehbacher jedenfalls konnten sich freuen, sie würden von nun an für alle Zeiten bei ihrem Grafen in Lohn und Arbeit stehen. Fast war es Rosa so vorgekommen, als hätte Stolz in Georgs Stimme gelegen, als er ihr am Morgen von seinem Entschluss erzählt hatte. Ha, welchen Grund hatte er, stolz zu sein? Rosa erschrak vor ihrer plötzlichen Kälte ihm gegenüber.
    Zur selben Zeit, als Dorothea ihr Salz aus der Rehbacher Erde gebrochen hatte, hatte sie ihr Kind zur Welt gebracht. War dies ein Zeichen? Harriet wäre die erste gewesen, die versucht hätte, die Gleichzeitigkeit dieser beiden Ereignisse zu deuten. Rosa nahm sie einfach nur hin. Schicksal - nicht mehr und nicht weniger. Dennoch konnte sie die Erinnerung daran verdrängen, dass es vor vielen Jahren schon einmal eine bedeutungsvolle Gleichzeitigkeit von Ereignissen gegeben hatte: den Tag von Dorotheas und ihrer Geburt, an dem Dorotheas
    Mutter sterben musste, weil Harriet zur selben Zeit ihre Tochter Rosa zur Welt brachte. Schicksal.
    War das, was Georg von ihr verlangte, eine Art Wiedergutmachung? Sollte sie ihm das Kind dafür geben, dass ihm vor vielen Jahren die Mutter genommen wurde?
    Sie hatte den Jungen bis heute nicht gesehen. Den Jungen, den Elisabeth Max nennen wollte und um den sie sich aufopferungsvoll kümmerte.
    Elisabeth bilde sich auf seltsame Art ein, Rosa habe das Kind für sie zur Welt gebracht, hatte Georg ihr verlegen erklärt.
    Wenn das Kind wirklich für Elisabeth bestimmt war, warum empfand sie, Rosa, dann nicht Erleichterung darüber, es hinter sich gebracht zu haben? Warum fühlte sich ihre Armbeuge dort leer an, wo ein Kinderkopf Platz hatte? Warum klopfte es in ihrer Brust, wenn sie an das Kind dachte, aber nicht, wenn sie an seinen Vater dachte?
    Ganz am Ende seines letzten Besuchs, kurz bevor er wieder gegangen war, hatte Georg damit angefangen, nach dem ganzen Gerede vom Schacht und vom Salzabbau, den er nun betreiben wolle. Da hatte er endlich die Sprache auf ihr Kind gebracht. So, als ob alle anderen Dinge wichtiger waren.
    Rosa war so müde. »Bald mein Sohn, bald, bald!« Wie ein Wiegenlied summte es in ihrem Kopf, und sie hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Ihre Gedanken drifteten wieder ab, wie Treibholz, das am Rande des Kochers angeschwemmt wurde.
    Seltsam, dass es gerade Dorothea war, die in der ganzen Katastrophe ihr Glück gefunden hatte. Ihr hätte es Rosa am allerwenigsten zugetraut. Und doch: Sie musste sich nicht anstrengen, um Dorotheas Lachen zu hören, das immer wieder über die Hecke in ihr geöffnetes Fenster drang. Dorotheas Lachen, in das Götz einstimmte wie ein Narr. Wie ein Mann, der liebt.
    Georg behauptete, er würde sie noch mehr lieben, wenn sie ihm und Elisabeth das Kind ließ.
    Wie er wohl aussah, der kleine Graf?
    Die Luft war immer noch schwer von dem Geruch jener Nacht. Der Kalk an ihren Wänden war grau, in jede Ritze war der Rauch gekrochen, alles war unrein. Aber war es das nicht schon vorher gewesen? »Gleich und gleich gesellt sich gern - es ist nicht recht, dieses Gesetz zu
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