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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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wach, erfüllte ihr gellender Schrei den Raum, und Elisabeth machte das Fenster hastig wieder zu. Das letzte, was sie jetzt brauchte, waren neugierige Blicke von Zaungästen. Gierige Blicke. Von Leuten, die ihr das Kind wegnehmen wollten. Sie überlegte, ob sie nicht noch die Fensterläden schließen sollte.
    Kaum war die Luftzufuhr abgeschnitten, tropfte der Schweiß wieder von Elisabeths Stirn auf Rosas zuckenden Leib. Ihr Kleid - es wurde immer enger, immer enger. Sie Riss so lange an der spitzenbesetzten Manschette, bis sie sich von dem Ärmel löste. Das Geräusch tat Elisabeth in den Ohren weh. Sie krempelte den dünnen Stoff bis zur Armbeuge hoch. So war’s besser. Ein kurzer Blick auf Rosa. Weggetreten, noch immer kein Lebenszeichen. Hastig begann Elisabeth, zwei ihrer insgesamt vier Unterröcke erst aufzubinden und dann über die Beine zu streifen. Endlich Abkühlung für ihr erhitztes Fleisch. Sie lachte auf. Nun brachte sie es vielleicht fertig, Holz nachzulegen, um das mager gewordene Feuer wieder anzufachen. Sie würde mindestens drei Töpfe heißes Wasser brauchen, hatte Rosa gesagt. Erst einer stand bereit. Um ihren Leib abzuwaschen. Und das Kind.
    Ein Lachen klang durch den Raum. Es hörte sich seltsam an. Wie von einem Geist. Elisabeth schaute sich um. Niemand. Nichts. Sie Schloss daraus, dass das Lachen aus ihrem Mund gekommen sein musste! Sie lachte wieder, dieses Mal befreiter. Es gab nichts, wovor sie Angst hatte. Sie wusste zwar nicht mehr über Geburten, als das, was
    Rosa ihr in abgehackten Sätzen erzählt hatte, bevor sie ohnmächtig geworden war, aber sie würde alles richtig machen.
    Rosa würde ihr Kind zur Welt bringen! Ein Wunder! Es war wirklich ein Wunder. Das also hatte hinter den ganzen Maßnahmen gesteckt, die Rosa ihr auferlegt hatte! Oder war sich Rosa selbst nicht sicher gewesen, auf welche Art Elisabeth zu ihrem Kind kommen würde? Dass es in ihrem, in Rosas Leib zur Welt kommen würde, damit hatte sie wahrscheinlich nicht gerechnet…
    Auf einmal wurde ihr schwindlig. Die Kräuterbüschel, die Rosa an der Decke aufgehängt hatte, verschwammen vor ihren Augen. Es wurde immer heißer hier drinnen. Elisabeth setzte sich für einen Moment.
    Warum hatte Rosa ihr nicht früher von dem Kind erzählt? Dann hätte sie sich doch auf den heutigen Tag viel besser vorbereiten können. Vielleicht hätte sie sogar Maman benachrichtigt und sie gebeten, zu kommen! Nein, das hätte sie nicht getan. Das hier ging nur sie beide etwas an.
    Als Elisabeth aufstand und zu Rosa hinüberging, schwankte sie etwas. Sie hatte noch nie gehört, dass eine Frau für eine andere ein Kind zur Welt brachte.
    Prüfend hielt sie ihr rechtes Ohr an Rosas Gesicht. Deren Atemzüge waren nun gleichmäßig und nicht mehr so flach wie zuvor. War das der Zeitpunkt, von dem sie gesprochen hatte? Elisabeth legte den Kopf schräg und hörte weiter Rosas Ein-und Ausatmen zu. Dann gab sie sich einen Ruck, ging zum Feuer und tauchte beide Hände gleichzeitig in den Topf mit Wasser, der direkt über dem Feuer stand. Als sie sie zurückzog, hatte sie kurz jedes Gefühl verloren. Waren das ihre Hände, diese aufgequollenen, roten Prügel? Sie lachte. Sie lachte sehr viel an diesem Tag. Aber es gab ja auch Grund genug zum Freuen. Sie trat an Rosas Fußende. Fort war ihre Heiterkeit. Sie musste sich konzentrieren. Sie spreizte Rosas Beine, besann sich noch kurz und fasste dann mit ihrer rechten, feuerroten Hand in die weiche Öffnung. Sofort stieß sie auf einen Widerstand, eine feuchte, heiße Wand. Wo war das Kind in dieser dunklen Höhle versteckt? Sie musste das Kind finden! Mit Überwindung zog sie ihre Hand nicht zurück, sondern schlängelte sich weiter oben entlang von Rosas Bauchdecke. Da! Ein Bein. Oder ein Arm? Sie tastete weiter. Ihr Atem dröhnte in ihren Ohren und vermischte sich mit Rosas Heulen, das sich anhörte wie das einer Wölfin. Dann der Kopf. Wie Rosa gesagt hatte, an der Seite, unter ihren Rippen.
    Während Elisabeth mit ihrer linken Hand Rosas Schenkel noch weiter auseinanderspreizte, versuchte sie ihre rechte Hand unter den Kopf des Kindes zu legen. Unentwegt summte sie beruhigende Laute, lachte zwischendurch auf, flüsterte Rosas Namen, die zuckte und bei jeder Bewegung Elisabeths schrie und wimmerte. Mein Kind! Elisabeth wusste nicht, welche Bewegung letztendlich zum Erfolg geführt hatte, aber es gelang ihr, das Kind so weit in Rosas Leib zu drehen, dass sein Kopf aus der geweiteten Öffnung schaute.
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