Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter
Autoren: Michael Herzig
Vom Netzwerk:
Ibiza
    Der Sänger ist unerträglich. Seine Stimme ist zum Kotzen. Sein Geruch ebenfalls.
    Stur schrubbt sie ihre Zähne. Das Spülbecken ist voller roter Flecken. Sie dreht den Hahn auf. Das Wasser fällt über die schleimige Flüssigkeit her und löst das Rot in ein farbloses Nichts auf. Sie spült die Zahnbürste. Mit der linken Handfläche schrubbt sie das Waschbecken sauber. Dann dreht sie den Wasserhahn zu. Die Bürste stellt sie zurück in den Zahnputzbecher. Jener, den ihre Tante ihr geschenkt hat. Mit einem Motiv aus der griechischen Mythologie. Es zeigt den Kriegsgott Ares zusammen mit Athene, der Göttin der Weisheit. Ihre Tante ist Archäologin. Sie ist häufig unterwegs. In Italien, Griechenland. Von ihren Reisen bringt sie Geschenke mit. Ein T-Shirt, einen Schal. Zu diesem Becher hat eine Zahnbürste gehört. Damit hat ihr Bruder die Zündkerzen seines Motorrades geputzt.
    Der Gesang draußen hat sich in Grölen verwandelt. Jeden Abend schauen die Männer fern. Die Fußballeuropameisterschaft in Frankreich. Nach dem Spiel sitzen sie um ein großes Feuer und trinken Sangria. Der Kotzbrocken spielt Gitarre. Seit drei Tagen ist er auf der Finca. Außer ihm sind es vier Männer und drei Frauen.
    Eine der Frauen ist schwarz. Penelope heißt sie. Aus Südamerika. Sie stammt von Sklaven und Huren ab, sagt der Bruder. Wie ein Brandzeichen bohrt sich ihr Blick in einen hinein.
    Sie trocknet sich das Gesicht ab. Dann schließt sie das Bad auf. Im Haus ist es still. Sie huscht in ihr Zimmer und verriegelt die Tür. Das Geschrei der Männer dringt durch die Fensterläden. Sie drückt den Startknopf ihres Kassettenspielers. Cambodia von Kim Wilde.
    Ihr erster Kinofilm kommt ihr in den Sinn. Von Charlie Chaplin. Ihre Tante nannte ihn Charlot. Sie kann sich genau an die Szene erinnern, bei der Charlot und das Kind vor der Polizei fliehen. Im allerletzten Moment schweben sie mit Engelsflügeln davon.
    Von den anderen beiden Frauen ist eine immer zugedröhnt. Sie hat kurze Haare. Manchmal kann sie kaum noch gehen. Nicht so wichtig, sagt der Bruder.
    Am ersten Drehtag ist die Kurzhaarige ohnmächtig geworden. Einer hat sie vom Boden hochgehoben. Ein Deutscher. So leicht wie ein Skelett, hat er gesagt. Dann hat er sie ins Bad gebracht und abgeduscht. Sie hat geschrien. Wie bei den Dreharbeiten.
    Die Dritte ist eine Blonde, die wie eine Hündin um den Bruder herumschleicht. Beim Frühstück am Pool hat sie ihn auf den Mund geküsst.
    Die Schwarze ist anders. Frecher zum Bruder und netter zu ihr. Vor dem Dreh sind sie zusammen zu der Jacht hinausgeschwommen. Wie Freundinnen. Am liebsten wäre sie mit Penelope auf dem Boot geblieben. Doch diese musste arbeiten. Allein war es unheimlich auf der Jacht. Die Geräusche aus dem Rumpf klangen wie Stimmen.
    Sie überprüft das Schloss. Der Schlüssel steckt. Ihre nackten Füße fühlen den Luftzug, der vom Flur in das Zimmer weht. Sie nimmt ihre Jeans, legt sie vor der Tür auf den Boden und presst sie fest vor das Holz. Danach schlüpft sie in ihr Bett und greift unter das Kopfkissen. Ihre Ballettschuhe sind noch da.
     
    »Einen Arsch wie deinen muss man suchen in Hollywood.« Der Bruder zeigt mit dem Messer auf Penelope. »Zeig es uns, Baby!« Die Klinge glitzert im Sonnenlicht. Butter klebt daran. »Du hättest das Zeug zu einer Schauspielerin, wenn du nicht so versaut wärst. Und so schwarz.«
    Penelope schaut ihn trotzig an. Die anderen Frauen fixieren ihre Teller. Die Männer grinsen. Die Schwarze zögert.
    »Zier dich nicht, Schlampe!« Der Bruder springt auf. Er sieht böse aus.
    Eilig erhebt sich die Schwarze und dreht allen ihren Hintern zu. Sie trägt einen kurzen gelben Rock. Den schiebt sie langsam nach oben. Ein schwarzer Slip erscheint. Die Typen pfeifen und klatschen.
    Der Bruder steht hinter ihr. Mit einem Ruck zieht er ihr den Schlüpfer in die Kniekehlen. »Seht ihr? Absolute Spitzenklasse. Mit so was macht man Karriere.« Er haut der Schwarzen so fest auf den Hintern, dass sie schreit. »Du kannst die Ware zudecken, Süße.«
    Penelope zieht den Slip herauf und den Rock wieder herunter. Dann rennt sie weg. Der Bruder steckt sich Lachs in den Mund.
    Von Weitem hört man das Meer rauschen.
    Heute hat sie in den Whiskey gespuckt. Würden sie Flashdance drehen, wäre es Eistee. Wenn ihr Bruder Regie führt, ist es Whiskey.
    Ihr Bruder braucht kein Drehbuch. Seine Filme sind im Kopf. Beim Frühstück sagt er, was getan wird. Die Reihenfolge, in der die Frauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher