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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter
Autoren: Michael Herzig
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mitverfolgen zu können, ohne von einem überdosierten Junkie oder einem prügelnden Ehemann in die Pflicht genommen zu werden. Zuversichtlich zündete sich Johanna eine Zigarette an und legte die Füße auf den Tisch. Seit Kurzem galt bei der Stadtpolizei ein totales Rauchverbot.
    Die Zigarette war noch nicht zu Ende geraucht, als der Funk meldete, dass zwischen Kloten und Zürich ein zweiter Wagen gefunden worden war. Ein Porsche Cayenne. Vermutlich der Rammbock des Mercedes. Langsam wurde es spannend. Dieses zweite Unfallauto war am Nachmittag in Küsnacht als gestohlen gemeldet worden.
    Johanna überlegte, ob sie es riskieren sollte, einen Kaffee zu holen. Kurz entschlossen drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus und stellte diesen auf den Fenstersims. Sie drehte die Lautstärke des Funkgerätes auf und eilte zu der Kaffeemaschine im Korridor. Das Mahlwerk war so laut, dass sie den Funk kaum mehr hörte. Sie stellte sich weiter von der Maschine weg und schaute zu, wie der Espresso in ihre Lieblingstasse tropfte.
    Über der Kaffeeecke hing ein Ölgemälde. Es stellte einen Landstreicher dar. An der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert hatte eine Zürcher Malerin dieses Werk in dunklen Blau-, Grau- und Grüntönen geschaffen.
    Vor nicht allzu langer Zeit hing hier noch das Foto eines Kampfjets der Schweizer Armee vor dem Matterhorn. Johanna hatte die vielen Ferienabwesenheiten zum Anlass genommen, mit Köbi einen Abstecher in die städtische Bildersammlung zu machen. Er hatte sich mannhaft gewehrt. Aber Johanna hatte auf seiner Komplizenschaft bestanden. Ihr Bildersturm würde für Diskussionen sorgen, sobald die Urlaubszeit vorüber war. Deshalb brauchte sie einen Verbündeten. Also war Köbi mitgekommen. Er war es gewesen, der auf dem Bild des Clochards beharrt hatte. Johanna hätte die überdimensionale Darstellung einer pompösen Matrone vorgezogen. Deren Wirkung auf ihre Kollegen hätte sie gerne beobachtet. Köbi zuliebe hatte sie schweren Herzens nachgegeben.
    »Du erklärst es den anderen«, hatte ihr Köbi auf der Rückfahrt durch eine Wolke Tabakrauch hindurch zugerufen. Wegen der Hitze und des Rauchverbots waren sämtliche Fenster heruntergekurbelt.
    »Hat dir das Bild mit der alten Blechkiste gefallen, Köbi?«
    »Das ist ein Hunter. Darauf waren wir stolz. Seinerzeit.« Auf Johannas Lachen hatte er lange nicht geantwortet, sondern stumm vor sich hin gequalmt. »Nimm dich in Acht, Jo!«
    Zuerst hatte sie gedacht, dass sich diese Warnung auf ihren Fahrstil bezogen hatte. Sie war gerade mit sportlichem Tempo in die Militärstrasse eingebogen. Erst beim Aussteigen hatte sie realisiert, dass er etwas anderes gemeint hatte.
    »Du kannst nicht alles auf einmal auf den Kopf stellen«, hatte er gebrummt, als der Wagen vor der Regionalwache Aussersihl zum Stehen gekommen war.
    Der Funk riss sie aus ihren Betrachtungen. Fluchend ließ Johanna den fertigen Espresso stehen und rannte zurück in ihr Büro.
    Beim Notruf hatte sich ein Mann gemeldet, der angab, entführt worden zu sein. Er hatte gesagt, dass er sich im Kofferraum der Kidnapper befände und mit dem Handy telefoniere.
    Johanna steckte sich eine neue Kippe in den Mund. Wenn Entführer vergaßen, ihrem Opfer das Telefon abzunehmen, war augenscheinlich die zweite Garde im Einsatz. Eine weitere Bestätigung, dass auch Gesetzesbrecher in die Sommerferien fuhren.
    Bei der Stadtpolizei war die Abteilung Spezial aufgeboten worden, die für solche Aktionen zuständig war. Der Einsatzleiter hatte die verfügbaren Streifenwagen in Zürich Nord angewiesen, Verkehrskontrollen an den Einfahrtstraßen durchzuführen. Mit einem heftigen Atemstoß schickte Johanna eine Rauchwolke in Richtung Zimmerdecke. Streifenpolizisten auf Entführer anzusetzen, die einen Wagen gerammt und dessen Fahrer in den Kopf geschossen hatten, schien ihr ein gewagtes Unterfangen.
    Die nächste Meldung kam, als Johanna sich ihres Espresso erinnert hatte, hurtig in den Flur gerannt war und die lauwarme Brühe in einem Zug hinuntergeschluckt hatte. An der Schaffhauserstrasse war eine Streifenpolizistin angefahren worden. Johanna spurtete wieder zurück in ihr Büro und setzte sich vor das Funkgerät. Es war ein schwarzer Chrysler mit deutschem Kennzeichen, der nun in Richtung Innenstadt raste. Ein anderer Streifenwagen hatte die Verfolgung aufgenommen. Der Einsatzleiter versuchte, in aller Eile ein Netz von Straßensperren aufzubauen. Das war schneller gesagt als getan, denn der
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