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0033 - Die Dämonengöttin

0033 - Die Dämonengöttin

Titel: 0033 - Die Dämonengöttin
Autoren: Michael Kubiak
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Der Wind sang sein ewiges Lied.
    Tausende von Kilometern hatte er zurückgelegt über diese endlose Wüste aus Tälern, sanften Hügeln und schroffen Felskanten und Tafelbergen. Millionen und Abermillionen von Kristallen reflektierten das Sonnenlicht und machten das Sandmeer zu einer gleißenden Hölle.
    Der alte Mann in der Senke hatte kein Auge für diese grausame Schönheit. Tief gebeugt kniete er am Fuß der Dattelpalme und grub mit langsamen Bewegungen den Sand um den Stamm herum beiseite. Seine Väter und Vorväter hatten es schon so gemacht, denn die Palmen bedeuteten Leben, gaben ihrem Dasein einen Sinn und erhielten es.
    Der Grundwasserspiegel war im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer tiefer gesunken. Also waren die Bewohner der kleinen Oase dem Grundwasser gefolgt, hatten die Wurzeln ihrer Palmen zum Wasser hingeführt.
    Doch bei dieser Palme, von der nur noch die Gerippe der Kronenwedel über den runden Sandwall hinausschauten, war es umsonst gewesen.
    Sie war verdorrt, ausgetrocknet, gestorben.
    Solange der alte Mann sich erinnern konnte, hatte sie nie Früchte getragen.
    Und wieder versuchte der Alte in dem weißen Burnus, die Pflanze zum Leben zu erwecken, suchte die Ursache ihres Dahinsiechens.
    Mit zittrigen Händen schaufelte er den Sand, der immer wieder nachrieselte. Er legte den Stamm frei, drang weiter vor in die Tiefe.
    Da stießen seine Finger an einen Widerstand. Ein brennender Schmerz durchfuhr den Arm des Alten. Das Blut wurde zu flüssigem Metall, das seine Adern sprengen wollte. Die Hand des Alten zuckte zurück. Über das gefurchte Gesicht glitt ein Ausdruck des Unglaubens, der Verwirrung.
    Die Finger krümmten sich und näherten sich wieder dem unbekannten Hindernis. Nein, das waren keine Wurzeln, es musste etwas anderes sein. Wieder berührten sie den Gegenstand. Es war, als würden die Wurzeln des Baumes ihn festhalten und nicht hergeben wollen.
    Die Hand des Mannes schloss sich um den rätselhaften Fund.
    Der Schmerz wurde unerträglich, füllte seinen Leib, seinen Geist, ließ ihn heiser aufschreien. Der Laut verhallte ungehört. Man schrie oft hier in dieser Hölle, die einen festhielt wie mit stählernen Klammern. Der Mensch brauchte ein Ventil, musste sein Leid loswerden können und schleuderte es in seiner Ohnmacht der Wüste in den glosenden Rachen.
    Plötzlich glitt über das Gesicht des Alten ein Schimmer der Verzückung.
    Der Gegenstand löste sich und ließ sich bewegen.
    Mit einer letzten Kraftanstrengung riss der Mann daran, und seine Hand glitt hervor.
    Es war ein kantiger Stein, geschliffen wie ein Diamant. Doch ihm wohnte kein Glanz inne. Er war schwarz und schluckte jeden Lichtstrahl.
    Gebannt starrte der alte Beduine darauf.
    Seine Augen weiteten sich in ungläubigem Staunen.
    Er reckte die Arme hoch, hielt den Stein über seinen Kopf wie den Siegerpreis eines Reiterspiels.
    Seine Lippen bebten. Der zahnlose Mund öffnete sich, wollte etwas hervorbringen, einen Ruf, einen Warnschrei vielleicht.
    Der Stein entwickelte ein Eigenleben, wurde heller und glich mehr und mehr der Farbe des Sandes. Ja, er überstrahlte diesen noch und leuchtete schließlich.
    Es war ein Leuchten, das nicht von dieser Erde stammte.
    Es verschlang den Alten, stürzte sich auf seinen Geist, seine Seele, einem Raubtier gleich, das nach einer Ewigkeit des Hungers und Verdurstens seinem Käfig entspringt.
    Und das Licht fand Beute.
    Ein letztes Zucken der Mundwinkel. Eine letzte schwache Geste der erhobenen Arme.
    Dann stolperte der Alte zurück, fuhr mit den Händen wild durch die Luft, als wolle er sich von dem Stein lösen. Doch der klebte wie festgeschweißt an den Fingern des Mannes und verwuchs mit ihnen.
    Schaum trat auf die Lippen des Alten. Er wollte schreien.
    Wieder machte er einen Schritt zurück, wollte der Sandhölle, dem Grab um den Palmenstamm, entfliehen.
    Ein Röcheln drang aus seinem Mund.
    Er sank auf den Rücken, schlug mit dem Kopf in das weiche Sandbett.
    Eine Staubwolke stiebte auf.
    Sand rieselte nach, ergoss sich auf das Gesicht des Alten, füllte seine Augen, die Nasenlöcher, verkrustete die Lippen.
    Ein Würgen schüttelte den greisen Körper.
    Eine letzte Bewegung noch, dann geriet der ganze Wall in Bewegung.
    Er begrub den alten Mann unter sich. Nur seine verkrampften Hände mit dem Stein ragten noch heraus.
    Der Stein hatte wieder seine alte Farbe angenommen, er war schwarz wie zuvor.
    Und der Wind spielte mit den auf geheimnisvolle Weise in vollem Grün
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