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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Autoren: Margit Sandemo
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einen kleinen Jungen, der in eiligem Tempo über die Wiesen gestolpert kam, um die verabredete Zeit einzuhalten. Eine tiefe, eiskalte Ruhe erfaßte Kolgrims Herz.
    »Ich habe es geschafft«, keuchte Mattias atemlos. »Keiner hat mich gesehen. Ich hatte schon Angst, weil sie gesagt haben, daß du nach Christiania geritten bist und ich nicht wußte, ob du wirklich hier bist. Aber das bist du«, strahlte er.
    Dann zog ein bekümmerter Schatten über sein Gesicht. »Aber es gefällt mir nicht, Mutter anzulügen.« »Hat sie dich denn gefragt?« sagte Kolgrim scharf. »Nein. Aber nichts sagen ist fast wie lügen, finde ich.« Der große Bruder hatte solche Skrupel nie gehabt, deshalb verstand er das nicht. Außerdem machte er sich nichts aus seiner Stiefmutter Yrja, obwohl sie immer versucht hatte, ihm genauso viel Liebe zu geben wie ihrem eigenen Sohn Mattias.
    »Wir sind so kurze Zeit fort, daß keiner etwas merken wird. Komm jetzt herauf und setz dich hinter mich!« Mit Kolgrims Hilfe kletterte Mattias mühsam aufs Pferd, und Kolgrim wendete das Tier.
    Wie alle kleinen Geschwister vergötterte auch Mattias seinen großen Bruder. Er war der Held, der alles wußte und alles konnte. Kolgrim registrierte die Anbetung mit einer Spur Stolz, vor allem aber mit distanzierter Verachtung.
    Als sie durch den Wald ritten, sagte Mattias aufgeregt: »Wie spannend das ist! Ich habe heute Nacht überhaupt nicht geschlafen.«
    Na wunderbar, dachte Kolgrim und grinste tückisch. »Ich habe Butterbrote für uns mitgenommen«, fuhr der kleine Bruder fort.
    »Was hast du?« explodierte Kolgrim, riß sich dann aber zusammen und fügte beherrschter hinzu: »Hat dich jemand dabei gesehen?«
    »Nein, ich habe mich in die Küche geschlichen, als keiner da war.« »Gut! Ja, vielleicht kriegen wir Hunger.«
    Dann ritten sie schweigend durch die grünen Schatten des Waldes.
    »Hör nur, wie es in den Baumwipfeln rauscht«, flüsterte Mattias. »Wie traurig sich das anhört! Wie bei einem Requiem in der Kirche.«
    »Was ist ein Requiem?« fragte Kolgrim, der sich im Labyrinth der Kirchenrituale nicht auskannte. »Eine Seelenmesse.«
    Na, das paßt ja hervorragend, dachte der große Bruder.
    »Ist es noch weit?« fragte Mattias nach einer Weile zaghaft. »Wir sind bald da«, verspracht Kolgrim.
    Noch eine Weile später sagte Mattias: »Ich will nicht jammern, aber mein Po tut schon arg weh.«
    »Jetzt haben wir es gleich geschafft«, antwortete der große Bruder. Sein Herz begann vor Erregung heftig zu pochen.
    Sie folgten einem Waldweg, der genauso grün war wie der Waldboden um sie herum, also waren in diesem Sommer noch nicht viele Menschen hier entlang gegangen. Falls Mattias hin und wieder Spuren von Pferdehufen sah, brachte er sie jedenfalls nicht mit Kolgrims Ausritt vor ein paar Tagen in Verbindung. Ab und zu ritten sie über kleine Lichtungen, die umrahmt waren von Dickicht aus Waldhimbeeren, und einige Male kamen sie an Ansammlungen von Hütten vorbei, die offenbar seit langer Zeit schon verlassen waren.
    Dann wurde die Landschaft weiter und offener. Die Bergrücken waren zunächst mit Eichen bewachsen, später vorwiegend mit Espen und Erlen. Sie näherten sich dem Strand.
    Kolgrim lenkte das Pferd auf einen kleinen Pfad, der zu einem Steg führte. Dort sprang er ab und half seinem kleinen Bruder herunter.
    »Oohh«, sagte Mattias. »Das ist ja das Meer!« Ganz weit draußen, zwischen Holmen und Schären, glänzte der offene Fjord im Sonnenlicht.
    »Na sicher ist es das Meer«, sagte Kolgrim. »Denn nur da tanzen die Fische. Sie sind sehr groß, und man nennt sie Delphine. Komm, ich habe ein Boot!«
    »Du hast ein Boot?« fragte Mattias mit großen Augen, während Kolgrim das Pferd an einem Baum festband. »Aber ja. Schau, da liegt es.«
    Sie stiegen hinein. Kolgrim zerschlug das Kettenschloß mit einem Stein und begann zu rudern. Wem auch immer das Boot gehören mochte - das dichte Erlengestrüpp versperrte jedem Menschen den Blick auf die Bucht. Die Ruderblätter tauchten sachte plätschernd ins Wasser. Mattias hing über dem Bootsrand und folgte mit den Augen den Wirbeln, die die Ruderblätter hinterließen. Kolgrim ruderte gemächlich, er wollte keinen langen Heimweg in Kauf nehmen. Vielmehr bemühte er sich um ruhige, einschläfernde Ruderzüge, und tatsächlich rollte sich der kleine Mattias schon bald auf der hinteren Bank zusammen. Seine Lider wurden schwerer und immer schwerer.
    »Ja, ruh dich nur aus, du«, sagte Kolgrim mit
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