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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Autoren: Margit Sandemo
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hypnotisch beruhigender Stimme. »Ruh dich nur aus. Es ist noch ein ganzes Stück. Ich werde dich wecken, wenn wir da sind.« Mattias nickte matt und machte es sich bequem. Als sie die Landspitze erreichten, hinter der sich der Fjord öffnete und dem Meer entgegenreckte, zog Kolgrim vorsichtig die Ruder ein und ließ das Boot sachte auf den Strand gleiten. Er vergewisserte sich, daß der kleine Bruder fest schlief, dann ließ er die Ruder vom Dollbord gleiten und beobachtete, wie sie auf den Wellen davon trieben. Lautlos stieg er an Land- und dann gab er dem Boot einen kräftigen, aber geschmeidigen Stoß. Er hatte auch die Gezeiten in seinen Plan einbezogen. Zufrieden sah er, wie der Prahm durch das ablaufende Wasser unaufhaltsam hinaus auf das Meer gezogen wurde.
    Im Boot selbst war keine Bewegung zu entdecken. So schnell er konnte rannte Kolgrim am Ufer entlang, zurück zum Steg mit dem wartenden Pferd.
    Keiner weiß, was für ein Instinkt diesen Gedanken durch seinen Kopf jagte: »Ich habe ihn nicht getötet. Getötet habe ich ihn nicht!«
    Es hing vermutlich mit seinen frühen Kindertagen zusammen. Mit Cecilies Märchen über den Großen Troll, also den Teufel. Der seine ganz bestimmten Vorstellungen davon hatte, was kleine Jungen ihren kleineren Geschwistern antun durften und was nicht.
    Eine andere Erklärung für Kolgrims »humane« Art, sich seinen lästigen kleinen Bruder vom Hals zu schaffen, gab es nicht.
    Am Nachmittag kehrte er heim zu einer aufgeregten Familie.
    »Kolgrim, hast du Mattias gesehen?« fragte Liv. Er sprang vom Pferd. In der Hand hielt er ein kleines Päckchen.
    »Mattias? Nein. Ich war den ganzen Tag in Christiania.« »Und heute morgen?« »Da hat er noch geschlafen.«
    Kolgrims Gesicht war noch nie unschuldiger gewesen. »Nein, er hat doch mit uns am Frühstückstisch gesessen«, gab Tarald den anderen zu bedenken. »Erst danach ist er verschwunden. Und da war Kolgrim schon lange fort.« Yrjas Gesicht war wie tot, versteinert. »Aber Mattias hat Butterbrote mitgenommen. Für zwei, da bin ich ganz sicher!«
    »Wie kannst du dir so sicher sein?« fragte Tarald. »Weil ich die Art wiedererkannt habe, wie Mattias das Buttermesser gebraucht. Die Reste überschüssiger Butter, die er am Rand vom Butterfaß abgestreift hat. Und er hat Brote und Wurstbelag für mindestens zwei Leute mitgenommen.« »Wo ist Großvater?« fragte Kolgrim.
    »Unterwegs, auf der Suche. Wir waren alle den ganzen Tag draußen und haben nach ihm gesucht«, sagte Liv mit angsterfüllten Augen.
    Yrjas Gesicht verzerrte sich. Sie packte Kolgrim. »Du weißt, wo er ist«, schrie sie. »Ich sehe es deinem Gesicht an, du weißt, wo er ist, du hundsgemeiner… « Tarald ging dazwischen. »Aber Yrja, besinne dich! Wo du doch immer so lieb zu Kolgrim bist.«
    Aber die Hysterie, die den ganzen Tag in ihr gebrodelt hatte, brach jetzt vollends aus. »Ich durchschaue ihn, ich weiß genau, was los ist, wenn er so unschuldig dreinblickt! Er hat etwas mit Mattias gemacht, ich weiß es, ich weiß es!«
    Kolgrims Augen füllten sich gekränkt mit Tränen. Aber ich war doch in Christiania! Um ein Geschenk für Großmutter zu kaufen. Sieh doch!«
    Er öffnete die Schachtel mit der schimmernden Silberbrosche.
    »Ach Kolgrim«, sagte Liv gerührt. »Wie lieb von dir! Du mußt Yrja verzeihen, eine Mutter kann einfach nicht klar denken, wenn ihrem Kind etwas geschehen ist.« Yrja weinte und schluchzte hemmungslos. »Das einzig Gute, das… i-hich auf… di-hieser Welt zustande gebracht… ha-abe, mein… klei-heiner Mattias… Er darf nicht weg sein, er darf eiheinfach nicht wegseein«
    »Er ist ja auch nicht weg«, beruhigte Tarald sie. »Du wirst sehen, bevor es dunkel wird, ist er zurück.«
    Aber Mattias kam nicht zurück. Und Grästensholm versank im Kummer.
    Tag und Nacht hörten sie Yrjas Rufe: »Mattias!« Wie oft sie den Wald durchkämmt hatte, wußte keiner. Manchmal wachte sie mitten in der Nacht mit einem Angstschrei auf, mit einem überwältigenden Gefühl der Panik: »Er braucht mich! Er ist einsam, er braucht mich!« Und dann stürzte sie wieder hinaus, in den Wald, über die Felder, fragte in den Hütten, suchte, suchte…
    Liv verlor ihre gelassene Ruhe, Kummer und Sorge ließen ihre Haare ergrauen. Dag, dessen Gesundheit ohnehin sehr angegriffen war, fiel immer mehr in sich zusammen, so daß alle sich aufs Äußerste sorgten, und Tarald biß seine Fingernägel ab, bis sie bluteten. Äußerlich ließ er sich seine
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