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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Autoren: Margit Sandemo
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hatten.
    Schon am nächsten Tag ergab sich die Gelegenheit, mit Kolgrim zu sprechen. Aber er hatte seine Offenheit ihr gegenüber verloren. Er war viel zu sehr von einer gewissen Sache in Anspruch genommen, um sich mit ihr über Nebensächlichkeit wie Mattias zu unterhalten. »Wann kommt Tarjei?« fragte er.
    »Das weiß ich nicht. Er war ja schon lange nicht mehr daheim, also wird er wohl bald kommen. Magst du Tarjei?«
    Kolgrims Augen flackerten durch den Raum. Tarjei? Was ging ihn denn dieser Tarjei an? Seine Zaubermittel, die waren es, die ihn interessierten.
    »Oh ja!« sagte er eifrig. »Tarjei ist so unheimlich klug.« Danach sprach Cecilie mit ihr Mutter Liv.
    »Der Junge weiß etwas, da bin ich mir ganz sicher. Aber im Moment komme ich einfach nicht an ihn heran. Ich werde es in den nächsten Tagen versuchen, aber versprechen kann ich nichts.«
    Cecilie mußte unverrichteter Dinge wieder abreisen. Nie zuvor hatte Kolgrim einen so unschuldigen Gesichtsausdruck gehabt wie jetzt. Gerade deswegen war sie überzeugt, daß er viel mehr wußte, als er sich anmerken ließ. Aus dem Sommer wurde Herbst.
    Kolgrim faßte sich in Geduld und wartete seelenruhig auf Tarjeis Rückkehr. Denn jetzt war er, Kolgrim, der Erbe des Schatzes, der für ihn wertvoller war als alles Gold der Erde.

2. KAPITEL
    Aber Tarjei hatte zu der Zeit keinerlei Pläne, nach Hause zurückzukehren.
    Er hatte ein glänzendes Examen an der Universität zu Tübingen abgelegt und konnte nun unter einer Vielzahl verlockender Angebote auswählen.
    Da das Eisvolk nie unter Geldmangel gelitten hatte - denn Tengel der Gute hatte sein Einkommen als Medizinmann gehabt, und Siljes Wandmalereien waren zu höheren Preisen verkauft worden, als sie selbst es beabsichtigte - brauchte Tarjei sich über die finanziellen Dinge keine Gedanken zu machen. Er konnte frei entscheiden. Er schlug ein verlockendes Angebot aus, in Tübingen Medizin zu unterrichten, und entschied sich statt dessen - wer weiß, aus welchen diffusen Gründen - für eine geringer bezahlte Arbeit in Erfurt. Dort sollte er Gehilfe eines überaus gelehrten Heilkundigen sein, der verschiedene Krankheiten erforschte.
    Für Tarjei hatte sich ein Kindheitstraum erfüllt: Johannes Kepler kennenzulernen. Er traf ihn in Tübingen, als der große Mathematiker und Astronom gegen Ende seines Lebens in die Stadt kam.
    Sie führten ein langes, tiefes Gespräch, die beiden - bis weit in die Nacht hinein. Kepler war in den letzten Jahren ein desillusionierter Mann geworden, müde von der Ignoranz und Halstarrigkeit der Menschen und schwer von Krankheiten geplagt. Das Gespräch mit dem jungen und idealistischen Tarjei hatte ihn aufgemuntert, und sie erörterten wissenschaftliche Themen, bis ihnen die Augenlider zufielen.
    Fast sofort hatten sie eine Gemeinsamkeit entdeckt. Keplers Mutter war 1622 gestorben, nachdem sie dreizehn Monate im Gefängnis zugebracht hatte, angeklagt des Verbrechens, eine Hexe zu sein, und Tarjeis Verwandte Sol hatte ein ähnliches Schicksal gehabt. Deshalb hatten sie sich anfangs über die Hexenprozesse unterhalten, bis sie schließlich bei Keplers derzeitigen Steckenpferden landeten, Logarithmen und Lichtbrechungen. Aber jetzt war Tarjei in Erfurt. Seine Arbeit gefiel ihm, obwohl sie mit deutlichen Risiken behaftet war - so wie bei der Pockenepidemie, die er jedoch unbeschadet überstand. Sein Arbeitgeber war sehr zufrieden mit ihm und sagte ihm eine große Zukunft voraus - wenn nur nicht die führenden Männer der Kirche und der Gesellschaft in ihrer Torheit auf den Gedanken verfielen, ihn wegen all seiner Fähigkeiten als Ketzer zu verbrennen. Hatten sie etwa nicht Jan Hus verbrannt und Galilei der Ketzerei für schuldig befunden? Tarjei mußte vorsichtig sein! In Mußestunden besuchte er hin wieder seine alten Freunde auf Schloß Löwenstein.
    Comtesse Cornelia Erbach zu Breuenberg war zu einer sehr willensstarken und selbstbewußten jungen Dame von siebzehn Jahren herangewachsen. Überaus entzückend und mittlerweile wesentlich schlanker.
    Ihre liebe Tante und ihr Onkel wollten sie mit dem Sohn eines abgedankten deutschen Herzogs vermählen. Das wollte Cornelia nun aber überhaupt nicht! Die kleine Marca Christiana war jetzt acht Jahre alt, ein sympathisches Kind mit einem wachen Verstand. Sie hielt sich gerne bei Tarjei auf, wenn er zu Besuch kam, setzte sich still an seine Seite und lauschte der unverständlichen Konversation zwischen ihm und ihren Eltern. Cornelia dagegen mischte
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