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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
Autoren: Margit Sandemo
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ab.
    »Silje hat mich gerufen«, sagte Hanna.
    Sogar Tengel wich zurück.
    »Geh raus, du dummer Junge, das hier ist nichts für dich. Und halt mir auch die nichtsnutzigen Frauen vom Leib!«
    Er ging zur Tür.
    Silje sah mit Schrecken auf die Gestalt, die mit geschwollenen Beinen auf das Bett zugestapft kam. So etwas hätte sie sich nie vorstellen können, und nun verstand sie Tengels Widerwillen, Erben zu bekommen.
    »Noch einmal guten Tag, Mutter Hanna«, stammelte sie zitternd.
    Tengel drehte sich in der Tür um.
Noch einmal
guten Tag? Hatte Silje Geheimnisse vor ihm?
    Aber daran konnte er seine Gedanken nicht lange verschwenden, denn Hanna warf ihn endgültig hinaus.
    Voller Angst verließ er das Zimmer. Aber Hanna jetzt fortzujagen, das wagte er nicht. Mit ihr legte man sich nicht an!
    Wenn Hanna draußen in der Welt lebte, dann wäre sie schon längst auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, dachte Silje. Das war eine Hexe, eine Zauberin der übelsten Sorte. Die Augen lugten förmlich unter dem Büschel eisgrauen Haars hervor, und auf dem eingefallenen Mund lag ein diabolisches Lächeln. Ihre Kleider hingen an ihr und bestanden nur aus halb verrotteten Fetzen, und Silje dachte unwillkürlich, dass diese Frau diese Kleider die ganze Zeit nach ihrem Tod getragen haben musste – ja, das war ein grotesker Gedanke, aber sie konnte sich nicht davon befreien, Hannas Haut war kränklich gelb und grauschwarz, weil sie nie gewaschen wurde. Ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie Tengels, waren aber blasser, und die Haut darum herum war älter, doch die Pupillen loderten dermaßen, dass Silje glaubte, sie blickten direkt durch sie hindurch. Der Kopf saß niedrig auf den Schultern, vorgeschoben wie bei einem zornigen Tier.
    Silje wurde es richtig schlecht, und sie wusste nicht, wie es ihr gelingen sollte, ihren Abscheu zu verbergen.
    »Lass Hanna dich mal angucken«, sagte die sonderbar deutliche Stimme. »Dann wollen wir mal sehen, ob wir das Mädchen da rauskriegen.«
    »Das Mädchen?«, durchfuhr es Silje mit aufgerissenen Augen. »Wisst Ihr... ?«
    »Natürlich weiß ich das! Hab keine Angst, du hast mir gute Dienste erwiesen – nun erweise ich dir einen. Und außerdem, das Kind wollen wir beide lebend raushaben, nicht wahr?«
    Silje nickte. Im selben Augenblick wurde ihr Körper von einem neuen Schmerzanfall geschüttelt.
    Hanna schüttelte den hässlichen Kopf. »Das sieht nicht gut aus. Zuerst müssen wir dir etwas zur Stärkung geben, denn das wird dich Kraft kosten, kleines Mädchen! Ja, dieser Tengel! Er kostete seiner Mutter das Leben, er ist wahrlich hart zu seinen Frauen.«
    Sie wühlte in den Taschen ihrer Lumpen. Silje atmete aus und versuchte, den Gestank nicht zu riechen, den die alte Frau verbreitete, nicht die krummen Finger zu sehen, die großen Poren und Runzeln.
    »Hier... Hast du etwas Wasser?«
    Silje zeigte es ihr. Hanna nahm die Holzkelle und verabreichte ihr ein weißliches Pulver.
    »Das ist nur fürs Herz.«
    Mit bebenden Händen ergriff Silje die Kelle und schluckte das Pulver hinunter. Dann sah sie Hanna mit Augen an, die an ein verletztes Tier erinnerten. »Hilf mir«, flüsterte sie.
    Die entsetzliche Frau nickte. »Niemand ruft Hanna vergebens. Das wird schon gut gehen.«
    Silje war sich da nicht so sicher, dennoch war sie dankbar.
    Nicht lange danach holte Hanna ein neues Pulver hervor. Graugrün diesmal und mit einem Geruch, der Siljes Nasenflügel zum Vibrieren brachte. Instinktiv zog sie den Kopf zurück.
    »Schluck das – das löst harte Knochen.«
    Silje blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Ihr Instinkt verbot ihr zu fragen, was dieses Pulver enthielt. Da waren bestimmt nicht nur Kräuter dabei, nein!
    »So«, sagte Hanna. »Nun werden wir warten. Du müsstest auf dem Stuhl sitzen, aber ich glaube nicht, dass du das kannst.«
    Es wurde still im Zimmer.
    »Oh...
nein\«
    Die brennenden Schmerzen ließen Silje schier verzweifeln. Es war ein Gefühl, als hätte sie zerbrochenes Glas oder ätzende Säure im Bauch. Hannas Lippen bewegten sich, ihre Hände beschrieben über Siljes Körper Kreise in der Luft.
    Dann folgte ein Schmerz, der so entsetzlich war, dass Silje merkte, wie alles um sie herum schwarz wurde, während sie schrie.
    Nun sterbe ich, dachte sie. Barmherziger Gott, nun sterbe ich! Das Kind kommt zur Welt – tot oder lebendig -, aber
ich
sterbe. Diese widerwärtige Frau, dieses vom Satan auserwählte Werkzeug! Sie will nur das Kind. Mich opfert sie...
    Dann
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