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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
Autoren: Margit Sandemo
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fürchterliche Kälte ein. Alle mussten sich im Haus aufhalten, denn der Schnee lag hoch bis zu den Hausdächern. Die einzigen Wege, die es gab, waren die Tunnel zu den Nebengebäuden.
    Ein älterer Mann wurde erfroren vor seinem Haus aufgefunden, aber sie konnten ihn nicht begraben, deshalb musste seine Bahre bis zum Frühling beim Holzschuppen stehen. Ein Junge, der auf der Jagd gewesen war, hatte sich ein Bein abgefroren, und es wurde nach Tengel geschickt. Silje fragte nie, was er dort gemacht hatte, aber als er nach Hause kam, war er sehr aufgeregt.
    Es sah so aus, als werde das Essen noch vor dem Frühjahr zur Neige gehen, deshalb sparten Tengel und Silje, so gut sie irgend konnten. Es war sehr schwierig, denn Silje brauchte reichlich zu essen. Dag hatte angefangen zu krabbeln, und er konnte auch etwas laufen, wenn er Wände und Möbel hatte, an denen er sich festhalten konnte. Er war nicht so lebhaft wie Sol, zerriss aber alles, was er in die Finger bekam. Silje konnte die Kinder auch nicht mehr Eldrid überlassen; dazu war es zu anstrengend, sie im Zaum zu halten. Trotz der Schnürungen waren Dags Beine nicht richtig entwickelt, und das plagte Silje, denn sie hatte so oft seine Wickel gelockert. Aber Tengel, der mehr als die meisten wusste, glaubte, das rühre von der Geburt oder dem Mangel einiger wichtiger Ernährungsstoffe her.
    Silje konnte nicht leugnen, dass sie sich im Gebirgstal allmählich wieder unwohl fühlte. Nicht wegen aller Schwierigkeiten, die konnte sie mit ihrem geliebten Tengel teilen, sondern weil sie den Kräften der Natur so hilflos ausgeliefert waren. Sie kam sich eingesperrt vor und wurde von diesem Unerklärlichen geplagt, das sie immer gefürchtet hatte, für das sie aber einfach keinen Namen fand.
    Einmal hatte sie es Tengel gegenüber zur Sprache gebracht, ihm von dieser Angst erzählt, die an ihr zerrte.
    »Ich weiß«, hatte er geantwortet. »Das ist etwas, was der alte Tengel uns als Geschenk hinterlassen hat.«
    Sie hatte seiner Antwort keinen Glauben geschenkt.
    Kurz vor Weihnachten hatte sie Hanna und Grimar einige Nahrungsmittel gebracht, die sie – beinahe entbehren konnte. Den Besuch hatte sie gemacht, bevor der schreckliche Schneefall einsetzte. Aber sie hatte nur an die Tür geklopft, das Bündel davor gelegt und war wieder gegangen, nachdem sie sich versichert hatte, dass Grimar es hereingeholt hatte.
    Und dann – eines Tages gegen Ende März, in der lebensspendenden Frühjahrssonne – setzten unerwartet die Wehen ein.
    Eldrid nahm die Kinder zu sich, und zwei Nachbarsfrauen waren bei Silje. Es stellte sich bald heraus, dass es eine schwierige Entbindung werden würde. Tengel tat, was er konnte, um Silje zu trösten, er gab ihr ein warmes, bitteres Getränk, das eine lindernde Wirkung hatte, und in aller Heimlichkeit sprach er seine speziellen Gebete. Aber es zog sich hin. Nach zwei Tagen bekamen es alle ernsthaft mit der Angst zu tun. Silje konnte von Tengels Gesicht ablesen, was er dachte. Nie hatte er vergessen können, dass seine deformierten Schultern der Mutter das Leben gekostet hatten...
    Silje lag erschöpft auf dem Bett. Sie war an den Schläfen und um die Augen nass vor Schweiß. Sie war nicht mehr imstande, in dem speziell gebauten Gebärstuhl zu sitzen. Alle ihre Kräfte schienen aus ihr gewichen zu sein.
    Sie schaute mit gequältem Blick zu ihnen auf. »Kann ich etwas Wasser haben?« Sie war im Mund vollkommen ausgetrocknet.
    Ihr Kopf wurde angehoben, und die Kelle wurde ihr von liebevollen Händen an den Mund gesetzt.
    Silje sank ins Bett zurück. »Holt Hanna«, flüsterte sie.
    Tengel zuckte zusammen. »Bist du vollkommen von Sinnen?«
    Die Frauen bekreuzigten sich.
    »Kann denn jemand anders meinem Kind noch helfen?«, fragte Silje. »Es stirbt, Tengel!«
    Du auch, dachten alle.
    »Wir warten noch etwas ab«, sagte er mit belegter Stimme. »Vielleicht geht es ja auch so.«
    Doch es trat keine Veränderung ein. Keine andere als die, dass Silje immer schwächer wurde.
    Die Dämmerung brach an. Sie zündeten die selten benutzten Tranlampen an und stellten sie um Siljes Bett auf. So, als wäre sie schon tot, dachte Tengel und erschauerte. Er kam sich so unbeschreiblich hilflos vor, er wusste nicht, womit er ihr noch helfen konnte.
    Mit einem Mal ging die Tür auf, und alle zuckten zusammen.
    Da stand die widerwärtigste Erscheinung, die Silje je gesehen hatte. Die Frauen schrien laut auf, verschwanden im Zimmer der Kinder und riegelten hinter sich
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