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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat
Autoren: Guillermo Del Toro
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alte Mann hatte Fieberträume, und Eph konnte nichts anderes tun, als dazustehen und zuzusehen.
    »Dad!«
    Eph ging ins Wohnzimmer, wo Zack vor dem Computer saß. Er umarmte ihn, drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel und atmete den Duft seines Haars ein. »Ich hab dich lieb, Z«, flüsterte er.
    »Ich dich auch, Dad.«
    Eph wuschelte seinem Sohn durchs Haar und ließ ihn wieder los. »Wie weit bist du?«
     
    »SO gut wie fertig.« Der Junge wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Ich muss eine Schein-E-Mail-Adresse einrichten. Such dir ein Passwort aus.«
     
    Zack half Eph, das Video von Ansel Barbour im Schuppen auf so viele Filesharing-Websites wie möglich zu laden Zack selbst hatte er das Material allerdings noch nicht gezeigt. Eph wollte, dass Aufnahmen von echten Vampiren im Internet verfügbar waren, so dass die ganze Welt sie sehen konnte. Ihm fiel keine andere Methode ein, möglichst viele Menschen zu erreichen und ihnen bewusst zu machen, was hier geschah. Er machte sich keine Sorgen, damit Chaos und Panik zu fördern - die Ausschreitungen gingen ohnehin weiter, beschränkten sich zwar auf die ärmeren Stadtviertel, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich ausbreiteten. Die Alternative, das koordinierte Schweigen aufrechtzuerhalten, war angesichts der drohenden Gefahr zu absurd, um es überhaupt in Erwägung zu ziehen.
    Diese Seuche konnte nur dezentral und an so vielen Stellen wie möglich bekämpft werden - oder gar nicht.
    »SO, jetzt wähle ich diese Datei hier, siehst du, und lade sie als Anhang hoch ... «, erklärte Zack.
     
    »Schaut euch das hier an!«, rief Vasiliy aus der Küche, wo er vor dem Fernseher saß und Geflügelsalat aus einer großen Plastikschale löffelte.
     
    Eph ging zu ihm. Aufnahmen aus einem Hubschrauber zeigten eine Reihe von Gebäuden, die in Flammen standen. Dicke schwarze Rauchwolken stiegen über Manhattan auf. » Es wird immer schlimmer.«
    Da bemerkte Eph aus den Augenwinkeln, wie die Zettel, die an der Kühlschranktür hingen, leicht flatterten. Eine Serviette segelte über den Küchentresen und landete vor Vasiliys Füßen.
    Eph drehte sich zu Zack um, der aufgehört hatte zu tippen. »Was war das für ein Windstoß?«
    »Die Schiebetür hinten ist wohl offen«, erwiderte Zack. Eph sah sich nach Nora um. Die Toilettenspülung rauschte, und sie trat aus dem Bad im Flur. »Was ist los?«, fragte sie, als alle sie anstarrten.
    Eph blickte in die andere Richtung, zu der Ecke hinüber, hinter der eine Glasschiebetür in den Garten führte.
    Eine Gestalt bog um diese Ecke und blieb mit schlaff herabhängenden Armen stehen.
    Eph starrte sie wie versteinert an. Kelly.
    »Mom!«
    Zack wollte zu ihr laufen, doch Eph streckte schnell den Arm aus und hielt ihn zurück. Sein Griff war fester als nötig; der Junge riss sich los und sah ihn erschrocken an.
    Nora sprang hinzu und nahm Zack von hinten in die Arme.
    Kelly stand einfach nur da und sah sie an. Mit ausdrucksloser Miene, ohne zu blinzeln. Sie wirkte verstört, wie benommen ...
    ... und Eph erkannte, dass das, was er mehr als alles andere in der Welt gefürchtet hatte, Wirklichkeit geworden war. Trauer und Schmerz krampften sein Herz zusammen.
    Kelly Goodweather war ein Vampir. Ein totes Wesen, das nach Hause zurückgekehrt war.
    Ihre stierenden Augen entdeckten Zack. Ihren über alles geliebten Jungen. Seinetwegen war sie gekommen.
    »Was ist los, Mom?«, fragte Zack.
    Eph registrierte hinter seinem Rücken eine schnelle Bewegung. Vasiliy stürzte in den Flur, schnappte sich Ephs Schwert und zeigte Kelly das Silber der Klinge.
    Kelly verzog das Gesicht. Ihre zuvor ausdruckslose Miene enthüllte jetzt das Böse in ihr. Sie fletschte die Zähne.
    Eph erstarrte.
    Sie war
eine von ihnen.
    Sie war für immer verloren.
    Mit ersticktem Stöhnen wich Zack beim Anblick seiner Mutter zurück.
    Vasiliy ging mit dem Schwert auf sie zu, doch Eph hielt ihn am Arm fest. Wie eine Katze mit gesträubtem Fell wich Kelly vor der silbernen Klinge zurück. Sie fauchte und warf dem Jungen, wegen dem sie hierhergekommen war, einen letzten anklagenden Blick zu. Dann drehte sie sich um und floh.
    Eph und Vasiliy bogen gerade noch rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie Kelly über den niedrigen Maschendrahtzaun sprang, der ihr Grundstück von dem des Nachbarn trennte, und in der Nacht verschwand.
    Vasiliy schloss die Tür, verriegelte sie und zog die Jalousien vor, während Eph zu Nora ging. Sie hatte sich über Zack gebeugt, der
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