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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat
Autoren: Guillermo Del Toro
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nicht länger als zehn Sekunden an; das schmerzhaft grelle, reinigende Licht strahlte noch einmal vom Boden bis zur Decke, dann gab die Batterie den Geist auf. Die Höhle fiel wieder in völlige Finsternis zurück, und es war nur noch ein schwaches Zischen zu hören. Eph nahm den Arm herunter und öffnete die Augen.
    Ein Übelkeit erregender Gestank stieg in Schwaden von den verkohlten Kreaturen auf, die überall herumlagen. Es war unmöglich, sich zu bewegen, ohne auf eines dieser verbrannten Wesen zu treten. Ihre Körper zerbröckelten wie Holzscheite im Feuer. Nur die Vampire, die hinter den Pfeilern gestanden hatten, waren noch am Leben. Eph und Vasiliy gingen schnell von einem zum anderen und erlösten die versengten, halbtoten Kreaturen von ihrem Leid.
    Dann inspizierte Vasiliy die Lichtgranate. »Heilige Scheiße! Es hat funktioniert.«
    »Seht nur«, rief Setrakian.
    Am anderen Ende der rauchenden Höhle, auf einem etwa ein Meter hohen Hügel aus Schotter und Müll, stand eine lange, schwarze Kiste.
    Als sie sich näherten - mit der ehrfürchtigen Scheu eines Bombenentschärfungskommandos angesichts einer Höllenmaschine -, kam Eph die Situation merkwürdig bekannt vor, doch es dauerte einen Augenblick, bis er sie zuordnen konnte: Ja, genau so hatte es sich angefühlt, auf das dunkle Flugzeug auf dem Rollfeld zuzugehen.
    Er vergewisserte sich, dass es tatsächlich die Kiste aus dem Frachtraum von Flug 753 war. Die Oberseite war mit Schnitzereien verziert: Menschen, die sich in einem Meer von Flammen wanden, längliche Gesichter, zu Schmerzensschreien verzerrt.
    Ja, es war der überdimensionale Sarg des Meisters, der hier auf einem Altar aus Schutt und Müll unter dem World Trade Center stand.
    »Das ist es«, sagte Eph.
    Setrakian streckte die Hand nach dem Sarg aus, berührte fast die Schnitzereien, zog die knotigen Finger jedoch wieder zurück. »So lange habe ich danach gesucht.«
    Eph lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er rechnete damit, dass sich der Sarg jeden Moment öffnen würde.
    Vasiliy ging auf die andere Seite hinüber. Die Klappen auf der Oberseite hatten keine Griffe, man musste die Finger unter den Rand der Mittelfuge stecken und anziehen. Dies mit der gebotenen Schnelligkeit durchzuführen war ein heikles Unterfangen.
    Setrakian stand neben der Stelle, von der sie annahmen, dass sich dort der Kopf des Meisters befand, und hob das Schwert. Doch Eph konnte keinen Triumph in seiner Miene erkennen.
    Das hier war viel zu einfach.
    Gleichzeitig schoben Eph und Vasiliy ihre Finger unter die Klappen und zogen sie mit vereinten Kräften auf. Setrakian beugte sich vor ... und sah nichts als Erde. Er stocherte mit der Klinge darin herum, die silberne Spitze kratzte auf dem Boden. Nichts.
    Mit einem wildem Ausdruck im Gesicht trat Vasiliy einige Schritte zurück. Adrenalin pumpte durch seinen Körper. »Ist er weg?«
    Setrakian hob das Schwert wieder heraus und klopfte die Spitze an der Sargkante ab.
    Auch Eph trat vom Sarg zurück und blickte auf die getöteten Vampire. »Er wusste, dass wir kommen würden. Er ist in das U-Bahn-System geflohen. Wegen des Tageslichts kann er nicht an die Oberfläche, also hält er sich bis zur nächsten Nacht im Untergrund versteckt.«
    »Im längsten Tunnelsystem der Welt. Achthundert Meilen Schienen«, sagte Vasiliy.
    Ephs Stimme war vor Verzweiflung ganz rau. »Wir hatten nie auch nur den Hauch einer Chance.«
    Setrakian wirkte erschöpft, aber ungebrochen. »Ist das nicht genau die Art, wie Sie Ungeziefer auszurotten pflegen, Mr. Fet? Sie aus ihren Nestern zu vertreiben? Sie herauszulocken?«
    »Nur wenn ich weiß, wo sie als Nächstes auftauchen.« »Richten sich nicht alle Kreaturen, die in einem Bau leben, so eine Art Hinterausgang ein?«
    »Ja, ein Schlupfloch«, bestätigte Vasiliy. Langsam dämmerte es ihm. »Einen Notausgang.«
    Setrakian nickte. »Ich habe den Eindruck, der Meister befindet sich auf der Flucht.«
     
    Vestry Street, Tribeca
     
    Da sie keine Zeit hatten, den Sarg gründlich zu zerstören, begnügten sie sich damit, ihn von dem Schotteraltar zu schieben, umzudrehen und die Erde auszukippen. Sie würden später zurückkehren, um ihre Arbeit zu beenden.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder bei Vasiliys Lieferwagen angelangt waren. Setrakian keuchte erschöpft, als sie losfuhren.
    Vasiliy parkte ein Stück von Bolivars Haus entfernt, und sie rannten über die sonnigen Straßen, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Luma-Lampen oder
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