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Der kleine Streitberater

Der kleine Streitberater

Titel: Der kleine Streitberater
Autoren: Stephanie Schneider
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Erwachsene reißen sich nicht um Zoff und schlechte Stimmung, aber sie können die Wutausbrüche ihres Gegenübers in der Regel einschätzen. Bei Kindern sieht das manchmal ganz anders aus:

    Piet ist sechs und Mitarbeiter in der Firma »Familie«. Heute sitzt er wieder einmal in seinem Zimmer und versucht, sich auf eine komplizierte Lego-Konstruktion zu konzentrieren, als er plötzlich aufhorcht. Au Backe, seine beiden großen Chefs im Büro nebenan haben sich gehörig in der Wolle. Das Geschimpfe ist nicht zu überhören.
    Gerne wüsste Piet, was los ist. Dummerweise reden die beiden aber in Erwachsenensprache miteinander, und das klingt in seinen Ohren wie Chinesisch. So kann er nicht abschätzen, ob es sich nur um einen harmlosen Wortwechsel handelt oder ob die große Katastrophe ausgebrochen ist und die Firma kurz vor dem Konkurs steht.
    Da kriegt der kleine Angestellte Piet Panik. Kein Wunder, für ihn steht schließlich eine Menge auf dem Spiel. Er ist abhängig von den großen Chefs und hat in den letzten Jahren viel Zeit und Gefühl in die Firma »Familie« investiert.
    Die wildesten Gedanken schießen ihm durch den Kopf. Hat er als Angestellter vielleicht etwas verkehrt gemacht? Hat er die falschen Zahlen durchgegeben? Hat er vergessen, einen wichtigen Anruf auszurichten? In dieser Nacht kann Piet nicht schlafen. In seinem Kopf rumort es, aber ohne Chinesisch-Kenntnisse kommt er mit seinen Grübeleien auf keinen grünen Zweig. Armer Piet …

    Piet macht sich Gedanken.
    Was wir als Erwachsene leicht einmal vergessen:
Kinder haben sensible Sensoren, wenn es um Streitigkeiten geht. Manchmal kommen deshalb auch harmlose Reibereien »hochdosiert« an. Dann machen Kinder sich unnötige Sorgen oder geben sich gar die Schuld an Dingen, mit denen sie nichts zu tun haben.

    Piet reagiert leise.
    Manche Kinder nehmen kein Blatt vor den Mund und informieren jeden Urgroßonkel und jede Kassiererin laut und deutlich darüber, was in ihnen vorgeht. Aber nicht alle sind so. In Typen wie Piet arbeitet es eben etwas stiller und leiser vor sich hin. Da lohnt es sich, ab und zu mal genauer hinzuschauen.

    Helfen Sie Piet dabei, die Dinge richtig einzuordnen.
    Gehen Sie als Firmenchef nach einem Streit rüber in Piets Büro und sprechen Sie mit ihm. Auch dann, wenn Ihnen der Streit völlig harmlos erschien. Teilen Sie Ihren Mitarbeitern mit, worum es ging, und versichern Sie, dass die Bilanzen und Arbeitsplätze in der Firma »Familie« nicht gefährdet sind.

Was aber kann man tun, wenn ein Wort das andere gibt und die Stimmung immer schlechter wird, ohne dass ein konstruktives Ergebnis in Sicht ist?
    In unserer Familie haben wir für solche Situationen ein ganz persönliches Auszeit-Ritual. Der Vorteil dieser Übung: Hier wird nicht ein Einzelner zum Schuldigen erklärt und als Strafe vor die Tür oder in sein Zimmer geschickt, sondern alle tragen gleichermaßen zum Familienfrieden bei.
    Und praktischerweise ist es für den nächsten Jahrhundertstreit genauso geeignet wie für kleine Alltagsverstimmungen.

    So funktioniert die Auszeit-Übung:
Wenn jemand erkennt, dass sich ein Streit hochschaukelt, zieht er die Notbremse und sagt laut und deutlich das Wort »Auszeit!«. Diese Ansage dürfen die Erwachsenen machen, aber auch die Kinder. Egal ist auch, ob einer der Streithähne oder ein Unbeteiligter die Auszeit einläutet.
Eine Auszeit-Ansage muss immer befolgt werden. Es gibt keine Diskussionen darüber, ob die Auszeit in dieser Situation angebracht ist oder nicht.
Jeder im Raum lässt alles stehen und liegen. Gespräche werden auf der Stelle unterbrochen. Es wird nichts anderes gemacht als »Auszeit«.
Jeder sucht ein Zimmer auf, das er für sich alleine hat. Auch jene, die nicht am Streit beteiligt waren.
Die Auszeit dauert fünf Minuten. Dazu stelle ich eine Eieruhr und platziere sie im Flur, bevor ich an meinen Auszeit-Ort verschwinde.
Wenn sich die Eieruhr meldet, kann zurückkommen, wer mag. Wer sich allerdings in der Zwischenzeit in »Asterix auf dem Oktoberfest« festgelesen hat oder ganz einfach spürt, dass er noch etwas Zeit braucht, um sich abzuregen, bleibt einfach dort, wo er ist.
    Das war’s. Weitere Regeln brauchen Sie nicht. Nach einer »Auszeit« wird Ihre Migräne noch genauso pochen. Ihre Kinder werden keine Hausaufgaben-Engel und Ihr Mann immer noch kein Fan von Weihnachten mit der Schwiegermutter sein. Trotzdem wird Ihr Familienleben mit großer Wahrscheinlichkeit anders weitergehen als zuvor.

    Unsere
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