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Der kleine Streitberater

Der kleine Streitberater

Titel: Der kleine Streitberater
Autoren: Stephanie Schneider
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Kinder kämpfen und gewinnen, haben den Kampf verloren.

    Stellen Sie sich lieber vor, Sie seien wie ein Spiegel. Alles, was Ihre Kinder darin sehen, übertragen sie auf sich selbst. Wie wäre es, wenn Ihr Nachwuchs im Elternspiegel folgende Botschaft liest:
    Wer als Kind erlebt, dass ihm trotz seiner Fehler und Macken verziehen wird, kann sich und anderen auch als Erwachsener verzeihen. Mein alter Freund Mahatma Gandhi hat gesagt: »Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken.« Na los, gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Zeigen Sie Stärke. Gehen Sie auf die anderen zu und machen Sie ein Friedensangebot.

Versöhnung ist ein großes Wort. Es ist allerdings nicht jedermanns Sache, sich in gestammelten Erklärungen und großartigen Gesten in den Armen zu liegen. Doch für »ein bisschen Frieden« brauchen Sie nicht gleich zum Grand Prix. Das geht auch ohne große Worte und weiße Gitarren.
    Gott sei Dank gibt es ja noch viele andere Möglichkeiten, um zu sagen, dass alles wieder gut ist. Dabei helfen Versöhnungsrituale. Sie sind wichtig, weil sie der Seele guttun. Manchmal fühlt man sich nach so einem donnernden Familiengewitter nämlich ziemlich mitgenommen. Da verträgt das Gefühlsleben eine Portion Pflegebalsam. Wieso eigentlich nicht mal richtig schön Versöhnung feiern? Wer es geschafft hat, einen Streit zu beenden, der darf sich dafür auch belohnen.
    Unsere Familie liebt es, wenn wir …
… Essen gehen.
… einen schönen Fernseh- oder Spieleabend ansetzen.
… Pfannkuchen mit Zimt und Zucker machen.
… uns umarmen.
… nach dem Abendessen einen gemeinsamen Spaziergang machen und einen Zwischenstopp an der Eisdiele einlegen.

    Jede Versöhnung darf ebenso viel Zeit einnehmen wie der vorangegangene Streit. Wenn wir uns den ganzen Sonntagvormittag wegen der Flecken auf der neuen Ledercouch angegiftet haben, dann dürfen wir den kompletten Nachmittag gemeinsam darauf abhängen und die Friedenspfeife rauchen. Wenn Jens und ich auf der Heimfahrt einen zwanzigminütigen Disput über seine Fahrkünste haben, dann ist das genau jene Zeitspanne, die wir für eine milchschäumende »Versöhnung to go« an der Tankstelle brauchen.
    Sich zu vertragen bedeutet viel mehr, als nur einen Streit nicht weiter fortzusetzen. Versöhnung ist eine Kunst. Dafür brauchen Sie jedoch weder rote Rosen noch Brillantringe. Sie können etwas völlig Alltägliches tun und es kurzerhand zum Friedensritual erklären. Verkünden Sie großspurig: »Kommt, wir machen jetzt mal ein schönes Versöhnungsessen« und setzen sich dann einfach wie immer zusammen an den Tisch. Das reicht schon. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt:
Beim Frühstück gab’s Krach? Tauschen Sie für einen Tag symbolisch die Schals, bevor sie aus dem Haus gehen.
Ihr Sohn ist viel zu cool, um sich mit Ihnen zu unterhalten? Schnappen Sie sich das Handy und schicken Sie ihm eine SMS ins Nebenzimmer: »Ich bin froh, dass du nicht mehr sauer bist! Sag Bescheid, wenn ich dir bei Mathe helfen soll. Mama.«
Oder sind Sie eher ein Freund der großen Gesten? Reißen Sie gemeinsam die Fenster auf und säubern Sie wild gestikulierend das Zimmer von den Resten der »dicken Luft«.
    Die meisten Kinder lieben es, Dinge in ihrem Alltag so oder ähnlich zu zelebrieren. Den meisten Erwachsenen geht es übrigens ebenso, auch wenn sie sich das oft nicht bewusst machen. Je verrückter die Aktion, umso schneller kapiert das Unterbewusstsein: »Gott sei Dank, das Gewitter ist vorüber. Jetzt ist alles wieder leicht und gut.«

Einen Abwasch zu machen, ist in der Regel eine ziemlich klare Angelegenheit. Man lässt Wasser ins Becken, beginnt mit einem dreckigen Teller oder einer Schale und arbeitet sich Stück für Stück vor. Irgendwann ist man fertig und alles ist sauber. Ein gutes Gefühl.
    Beim Streiten ist das nicht ganz so einfach. Leider hat man nur selten die Gelegenheit, jeden Streitgegenstand einzeln in die Hand zu nehmen, ihn zu waschen und zu polieren, um dann irgendwann den Streit-Lappen zum Trocknen aufzuhängen und zufrieden zu sagen: »So, fertig. Alle Unklarheiten und Missstimmungen beseitigt. Wir können uns eine klare Einigung ins Regal stellen.« Nein, das gute Gefühl, mit einem Konflikt komplett abgeschlossen zu haben, erlebt man leider nicht oft. Schon deshalb, weil manchmal bereits während der Friedensverhandlungen der nächste Streit vor der Tür steht.
    Streiten ist ein Prozess, der sich durch unser ganzes Leben zieht.
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