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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat
Autoren: Guillermo Del Toro
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begnügte. Doch das Beste für Eph war, Zack zu halten. Er hatte seinem Arbeitgeber, der Regierung der Vereinigten Staaten, praktisch den Arm umgedreht, um sein Team hier in New York aufzustellen statt in Atlanta, wo die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC - Centers for Disease Control and Prevention - ihren Sitz hatte, damit Zacks Leben nicht noch mehr durcheinandergebracht wurde, als es ohnehin schon war.
    Er hätte mit härteren Bandagen kämpfen können. Schmutziger. So, wie es ihm sein Anwalt viele Male geraten hatte; der Mann kannte alle Tricks in der Scheidungsbranche. Ein Grund, warum Eph sich nicht dazu durchringen konnte, war die nachklingende Trauer über das Scheitern seiner Ehe. Der andere war, dass Eph einfach zu viel Empathie besaß, was ihn einerseits zu einem fantastischen Arzt machte, gleichzeitig aber zu einem erbärmlichen Mandanten in einem Scheidungsverfahren. Er hatte Kelly praktisch in allen Punkten und finanziellen Forderungen nachgegeben. Alles, was er wollte, war Zeit mit seinem Sohn.
    Der ihn gerade mit Handgranaten bewarf.
    » Wie soll ich bitte schön zurückschießen, wenn du mir die Arme weggesprengt hast?«, beschwerte sich Eph.
    »Keine Ahnung. Versuch's mal mit treten.«
    »Jetzt weiß ich, warum deine Mutter dir so eine Konsole verbietet. «
    »Weil es mich zu sehr aufregt und weil es unsozial ist und weil ... Hoppla!«
    Der Balken, der Ephs Lebensenergie anzeigte, fiel auf null.
    Und genau in diesem Moment begann sein Handy zu vibrieren und wie ein hungriger silberner Käfer auf die Fastfood-Kartons zuzuschlittern. Vermutlich war es Kelly, um ihn zu erinnern, dass Zack sein Asthma-Mittel nehmen musste. Oder um sich mal kurz zu vergewissern, dass er Zack nicht nach Marokko oder wer weiß wohin entführt hatte.
    Eph fing das Handy ein und warf einen Blick auf das Display. Eine 718er Nummer, ein Ortsgespräch. Die Anrufer-ID lautete JFK QUARANTÄNE.
    Die Seuchenschutzbehörde CDC unterhielt im internationalen Terminal des JFK eine Quarantänestation. Keine richtige Verwahr- oder gar Behandlungseinrichtung, sondern lediglich ein kleines Büro und ein Untersuchungszimmer: eine Art Feuerschneise, um einen möglichen Infektionsausbruch, der die Bevölkerung der Vereinigten Staaten gefährden könnte, zu erkennen und vielleicht sogar zum Stillstand zu bringen. Im Wesentlichen bestand ihre Arbeit darin, Passagiere, die während des Fluges Symptome einer Infektionskrankheit zeigten, zu isolieren und zu untersuchen.
    Dieses Büro war abends geschlossen, und Eph hatte weder Bereitschaftsdienst, noch stand er bis Montag früh als Ersatzmann auf der Dienstliste. Er hatte sich dieses Wochenende schon vor Monaten für Zack freigehalten.
    Er drückte den Anrufer weg und legte das Handy neben den Karton mit den Zwiebel pfannkuchen. Nicht sein Problem, nicht heute! »Bestimmt der Junge, der mir dieses Teil hier verkauft hat«, erklärte er seinem Sohn. »Ruft an, um mich auszufragen.«
    Zack mampfte unterdessen eine weitere gefüllte Teigtasche, die vierte oder fünfte. »Ich kann gar nicht
glauben,
dass du für morgen tatsächlich Yankees-Red-Sox-Karten hast.«
    »Das glaube ich, dass du das nicht glaubst. Und es sind sogar verdammt gute Plätze. Auf Höhe der Third Base. Musste an das Ersparte für dein College gehen, um sie zu kriegen, aber hey, keine Angst - bei deinen Fähigkeiten kommst du auch mit einem Highschool-Abschluss weit genug.«
    »Dad!«
    »Jedenfalls meine ich, dass jeder Dollar, der in Steinbrenners Tasche fließt, einer zu viel ist. Im Grunde genommen ist das Hochverrat.«
    »Buuh, Red Sox! Vorwärts, Yanks!«, rief Zack.
    »Erst bringst du mich um, und dann verhöhnst du mich auch noch?«
    »Ich dachte, als Red-Sox-Fan bist du das gewohnt.«
    »Na, warte!« Eph schnappte sich seinen Sohn und arbeitete sich mit den Händen zu dessen kitzligen Rippen vor, bis sich der Junge vor Lachen krümmte. Zachary wurde mit jedem Tag stärker, in seiner Gegenwehr lag schon richtig Kraft - dieser kleine Kerl, den Eph noch vor gar nicht so langer Zeit auf einer Schulter durch das Zimmer gewirbelt hatte. Er hatte die Haare seiner Mutter, die rotblonde Farbe - ihr natürlicher Farbton, so wie er sie damals auf dem College kennengelernt hatte -, das gleiche feine Haar. Und dennoch: Zu Ephs Erstaunen und großer Freude erkannte er an dem Jungen seine eigenen Hände wieder, die genauso seltsam von den Gelenken herabbaumelten wie damals bei ihm mit elf. Diese breiten Pranken, die nichts lieber
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