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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
Autoren: Dan Millman
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etwas übrig war und diesen bellenden Hund in meinem Inneren zum Schweigen bringen würde.
    Nach einem kleinen Imbiß am Flughafen, einer unbequemen Busfahrt durch die Straßen von Waikiki, in denen reges Leben herrschte, und einem einstündigen Fußmarsch fand ich ein kleines Zimmer abseits der ausgetretenen Wege des Tourismus. Ich probierte die Toilette aus, stellte fest, daß sie ein Leck hatte, und packte dann rasch die wenigen Habseligkeiten aus meinem alten Rucksack aus. In der halboffenen Schublade des Nachttischs sah ich ein Telefonbuch mit
Eselsohren und eine kaum benutzte Bibel. Dieses Zimmer würde meinen Ansprüchen für ein paar Tage genügen.
    Ich war auf einmal sehr müde. Ich legte mich auf das viel zu weiche Bett, dessen Federn quietschten, und fiel sofort in den Schlaf. Aber nur wenig später riß ich die Augen auf und schnellte kerzengerade hoch. »Die Schamanin!« rief ich laut, und mir war kaum bewußt, was ich sagte. »Wie konnte ich das nur vergessen?« Ich schlug mir an die Stirn. Was hatte Socrates über sie erzählt? Nacheinander stiegen die Erinnerungen wieder in mir auf. Er hatte mich eindringlich ermahnt, irgendeine Frau auf Hawaii zu suchen, und er hatte eine Schule erwähnt – wo war sie doch gleich? – in Japan. Und dann hatte er noch irgend etwas von einem heiligen Buch in der Wüste gesagt – einem Buch über den Sinn des Lebens!
    Ich wollte dieses Buch und diese Schule suchen; aber zuerst einmal mußte ich die Frau ausfindig machen. Deshalb also war ich hier; das war der Grund für das schicksalhafte Gefühl, das mich damals beschlichen hatte; deswegen hatte ich diese Reise unternommen!
    Bei dieser Erkenntnis lockerte meine Bauchmuskulatur sich wieder, und der Schmerz in meinem Inneren verwandelte sich in gespannte Aufregung. Ich konnte kaum noch ruhig sitzen. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf: Was hat er mir über sie erzählt? Sie hat ihm auf Briefpapier geschrieben – Briefpapier von einer Bank ! Ja, das war es!
    Hastig griff ich nach dem Branchenbuch und schlug die Rubrik »Banken« auf. Schon allein in Honolulu gab es zweiundzwanzig! »Es hat keinen Zweck«, murmelte ich vor mich hin. Er hatte mir weder ihren Namen noch ihre Adresse gesagt, und ich wußte auch nicht, wie sie aussah. Ich hatte so gut wie gar keinen Anhaltspunkt. Es schien unmöglich zu sein.
    Da stieg wieder dieses Gefühl in mir auf, daß das alles Schicksal war. Nein, es konnte nicht alles vergeblich gewesen sein. Immerhin war ich hier. Irgendwie würde ich sie schon finden. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Wenn ich mich beeilte, konnte ich mir noch ein paar Banken ansehen, ehe die Geschäfte schlossen.

    Aber ich war auf Hawaii und nicht in New York, hier hatten die Menschen es nirgends eilig. Und was sollte ich denn tun, wenn ich bei der ersten Bank angelangt war – hineingehen und ein Schild vor mir hertragen mit der Aufschrift: »Ich suche eine ganz besondere Frau«? Oder sollte ich jeder Bankangestellten geheimnisvoll zuraunen: »Socrates hat mich geschickt«? Vielleicht nannte diese Frau ihn gar nicht Socrates – falls sie immer noch bei einer Bank arbeitete, falls es sie überhaupt gab.
    Ich starrte aus dem Fenster auf eine Ziegelsteinmauer an der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Strand war nur zehn Straßen entfernt. Ich würde irgendwo zu Abend essen, einen Spaziergang am Meer entlang machen und mir darüber klarwerden, was ich tun sollte.
    Ich kam gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang an den Strand, stellte aber dann fest, daß die Sonne auf der anderen Seite der Insel unterging. »Das ist ja phantastisch«, murmelte ich leise vor mich hin. »Wie soll ich diese geheimnisvolle Frau ausfindig machen, wenn ich nicht einmal einen Sonnenuntergang finde?«
    Ich legte mich in der milden Abendluft in den weichen, noch warmen Sand und blickte zu einem Palmwipfel empor. Während die grünen Palmwedel in der leichten Meeresbrise hin und her schaukelten, zerbrach ich mir den Kopf nach einem Plan.
    Als ich am nächsten Tag an einer Zeitungsredaktion vorbeiging, kam mir der rettende Gedanke. Ich ging hinein und verfaßte rasch eine Annonce, die unter der Rubrik »Private Kleinanzeigen« erscheinen sollte. Sie lautete: »Friedvoller junger Krieger, Freund von Socrates, sucht gleichgesinnte Bankangestellte. Laß uns gemeinsam etwas bewirken.« Dazu gab ich meine Telefonnummer in meinem Motel an. Wahrscheinlich war das eine blöde Idee, und ich hatte nicht viel mehr Aussicht auf
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