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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
Autoren: Dan Millman
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fiel mir während eines Yogakurses ein, den ich mitmachte, um meinen Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Einige der Atem- und Meditationsübungen erinnerten mich nämlich an die Techniken, die ich bei Joseph gelernt hatte, einem früheren Schüler von Socrates, der in Berkeley ein kleines Café gehabt hatte. Wie ich seinen buschigen Bart und sein sanftes Lächeln vermißte!
    Joseph war in Indien gewesen und hatte sich sehr positiv über die Erfahrungen geäußert, die er dort gemacht hatte. Ich hatte schon etliche Bücher über indische Heilige, Weise und Gurus und auch über Yogaphilosophie und -metaphysik gelesen. In Indien würde ich vielleicht die geheimen Lehren und Praktiken lernen, durch die man zur Befreiung gelangt – und wenn nicht, würde ich dort zumindest meinen Weg wiederfinden.
    Ja, ich würde nach Indien reisen; das war das naheliegendste. Und ich würde nicht viel Gepäck mitnehmen, nur einen kleinen Rucksack und ein Flugticket mit offenem Rückflugdatum, um möglichst flexibel zu sein. Ich vertiefte mich in Landkarten und Reiseführer über Indien und besorgte mir einen Reisepaß und die nötigen Impfungen.
    Als mein Plan feststand, erzählte ich Linda davon und erklärte ihr, daß ich versuchen würde, Holly hin und wieder eine Postkarte zu schicken, aber ansonsten würden sie vielleicht längere Zeit nichts von mir hören.
    Sie sagte, das sei nichts Neues.
     
    An einem warmen Frühlingsmorgen kurz vor Semesterende saß ich mit meiner vierjährigen Tochter auf dem Rasen und bemühte mich,
ihr meine Entscheidung zu erklären. »Schatz, ich muß für eine Weile wegfahren.«
    »Wo fährst du denn hin, Vati?«
    »Nach Indien.«
    »Da, wo es Elefanten gibt?«
    »Ja.«
    »Können Mami und ich auch mitkommen?«
    »Diesmal nicht. Aber irgendwann machen wir zwei eine Reise zusammen – nur du und ich. Okay?«
    »Okay.« Sie überlegte. »Wo liegt denn Indien?« fragte sie dann.
    »Dort«, zeigte ich.
    »Bleibst du lange weg?«
    »Ja, Holly«, antwortete ich ehrlich. »Aber egal, wo ich bin – ich werde dich immer liebhaben und an dich denken. Denkst du auch an mich?«
    »Ja. Mußt du denn wirklich weggehen, Vati?« Genau diese Frage hatte ich mir auch schon oft gestellt.
    »Ja.«
    »Warum?«
    Ich suchte nach den richtigen Worten. »Es gibt Dinge, die du erst verstehen wirst, wenn du älter bist. Ich muß einfach – obwohl ich dich sehr vermissen werde.«
    Als Linda und ich beschlossen hatten, uns zu trennen, und ich auszog, hatte Holly sich an mein Bein geklammert und mich nicht loslassen wollen. »Geh nicht weg, Vati! Bitte! Geh nicht weg!« hatte sie geweint. Ich hatte mich sanft, aber bestimmt losgemacht, sie umarmt und dann von mir weggeschoben. Das war so ziemlich das Schwerste gewesen, was ich bisher in meinem Leben hatte tun müssen.
    Als ich Holly diesmal sagte, daß ich fortgehen würde, weinte sie nicht mehr; und sie bat mich auch nicht dazubleiben. Sie senkte nur die Augen und blickte aufs Gras. Das tat mir am meisten weh, denn ich spürte, was in ihr vorging: Sie hatte einfach die Hoffnung aufgegeben.
     
    Eine Woche später war das Semester zu Ende. Nach einem bittersüßen Abschied von Linda nahm ich meine kleine Tochter noch einmal
in die Arme und ging dann. Die Taxitür knallte hinter mir zu. Während das Taxi losfuhr, schaute ich durch das Rückfenster und sah mein Zuhause und die Welt, die mir vertraut war, allmählich immer kleiner werden, bis mich nur noch mein Spiegelbild in der Fensterscheibe anstarrte. Mit gemischten Gefühlen wandte ich mich dem Taxifahrer zu: »Hopkins-Flughafen.«
    Ich hatte den ganzen Sommer und anschließend noch einen sechsmonatigen Forschungsurlaub vor mir, insgesamt also neun Monate, um auf die Suche zu gehen und mich überraschen zu lassen, was für ein neues Leben auf mich wartete.

2
DIE GEHEIMNISVOLLE UNBEKANNTE
    Sicher ist ein Schiff nur im Hafen – aber dafür sind Schiffe
nicht gebaut.
     
    JOHN A. SHEDD
     
     
    Ich hing zwischen Himmel und Erde, schaute aus dem Fenster meiner 747 auf die Wolkendecke hinunter, die den Indischen Ozean überspannte, und fragte mich, ob die Antworten, nach denen ich suchte, wohl da unten irgendwo lagen.
    Während mir diese und andere Fragen durch den Kopf gingen, fielen mir allmählich die Augen zu. Ich wachte erst wieder auf, als die Maschine zur Landung ansetzte.
    In Indien herrschte die feuchte Monsunzeit. Ständig von Regen oder Schweiß durchnäßt, fuhr ich mit uralten Taxis, Rikschas, Bussen und
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