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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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die Treibhäuser der Laboratorien, in denen die Angst der Meerschweinchen quiekte und das Leichenschauhaus voll chitinöser Mumien, die genauso aussahen wie die Kaimane der Museen. Durch die Zimmer der Ärzte glitten hin und wieder die Navigationsdochte der Schlaflosigkeit der Doktoren, die auf der Suche nach der zugekorkten Schlafmittelflasche halbnackt zu den Arzneischränken hinunterstiegen. Die Schule der Dalai Lamas war ein Kirchenschiff, von dessen Dachboden lautlos Fledermausschwärme auftauchten, deren Reißzähne grausam waren wie Französischlehrer. Karussells mit kleinen Pferdchen und anderen Folterinstrumenten drehten sich in einer Art Schafstall, der dazu ausersehen war, Kniescheiben
zu zermalmen und Köpfe aufzuschlagen, die der Stadtteilpharmazeut liebevoll mit unzähligen Klammern wieder zunähte. Der Mann namens Luís machte es sich auf dem Polster bequem, schloß die Augen und träumte bereits von den krummen Gassen von Cazenga und den auf verräterischem Schlamm rutschenden Jeeps der Militärpolizei, als der Flötist von vorn, die Querflöte in der einen und das Reagenzglas fürs Ausgespuckte in der anderen Hand brüllte, São Jorge e Portugal! Das Hospiz der Pneumothoraxe verschwand hinter seinem Rücken, Schatten von Gebäuden rutschten hinter mir in den getönten Scheiben weg, die Lampions der bis zu den Dachsparren mit Bougainvilleas bedeckten Stadtpalais von Lumiar entfernten sich von uns mit ihren Silberschalen und Himmelbetten, und es blieb nur noch das Radio des Busses, das heulend Militärmärsche und kommunistische Verse wiederholte.
    Sie nahmen die Straße nach Sintra hinter dem Auspuff eines Gemüselastwagens, der kriegerische Gase durch alle Poren des kaputten Topfes pfiff, während mehrere revolutionäre Schlafanzüge in nimmer endenden Hustenanfällen in sich zusammenfielen, und der durchsichtige Herr schaukelte, das Thermometer im Mund zu meiner Linken, schiffbrüchig auf den Algen des Schweißes. Angespitzte Kiefern bedrohten uns vom Straßenrand in der Nähe des Bogens aus der von der Freßsucht des Efeus verschlungenen Dunkelheit der Abzweigung nach Queluz. Ein Bretterzaun verlief parallel zum Teer, verschwand unvermittelt und ließ uns an einem Birkenwald zurück. An den Kreuzungen im Hinterhalt liegende Verkehrspolizisten mit Leuchtstäben erlegten unvorbereiteten Kaleschen Strafen auf. Die in einem
ewigen Nebel aufgelösten und von Stadionsscheinwerfern gezeichneten Restaurants und Denkmäler von Sintra duckten sich am Grund der Feuchtigkeit, während in die offenen Fenster Seebarsche hineinschwammen und, sich mit bläulichem Schimmern verabschiedend, wieder herauskamen. Der Bahnhof füllte sich nachts mit den Ringelblumen Abwesender, und in den Villen mit Dächern, die den Hörnern der Stiere aus dem Minho glichen, trieben in der Trägheit der Algen Seeleute im Profil dahin. Der Mann namens Luís erinnerte sich an die konkrete Dämmerung von Loanda, wo alles genau als das erschien, was es war, ohne nautische Mysterien oder Fußspuren nicht anwesender Nixen, die sich damit begnügten, in den Hotelbars, die Zigarette zwischen den Schuppenfingernägeln, mit greisen Belgiern zu reden, die das vierte Portweinglas verstörte.
    Die Fahrt von Sintra nach Ericeira war eine einzige Verzweiflung aus Kurven und Gegenkurven mit Ballungen kleiner Dörfer an der Strecke, Bauernhöfen, Emigrantenhäusern und schlaftrunkenen Hunden mit schwarzen Gaumen, die haßerfüllt an den Türen der Tavernen bellten. Sie fuhren am Kloster von Mafra vorbei, das voller Tausendfüßler und Soldaten steckte, und kamen mit vor Kälte klappernden Knochen kurz bevor es zwanzig vor drei Uhr morgens war in den Krankenhausschlafanzügen in Ericeira an, ein jeder mit seinem Auswurfflaschenhals in der Tasche, angeführt von den Befehlen des Schwindsüchtigen mit der Flöte, dessen Asthma wie ein verklemmter Blasebalg pfiff. Sie irrten durch Gassen und über kleine Plätze, erkannten sich gegenseitig am Tonfall des Hustens, schnupperten mit der pflaumenfarbenen Nase von Kranken zum Meer hinüber
und dorthin, wo der Strand lag, stießen an die Stühle der Straßencafés, an öffentliche Bänke, denen Latten fehlten, an Bretterzäune, die ihnen das Meer verstellten, an fünfzig Meter steil abfallende Granitmauern, Fischerboote, eingerollte Netze, das Blitzen von Bojen und die Zeltstäbe des beendeten Sommers mit seinem in den Dünen Atolle bildenden Unrat.
    Es war ein Alter, dessen Augen vom Voranschreiten der Bazillen
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