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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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Generalstab transportieren und dann von dort aufbrechen sollte, um den Flugplatz, die Radio- und Fernsehstationen, das Parlament, die Tejobrücke
und die Zufahrten nach Lixboa zu besetzen, während Trupps von in unterschiedlichen Anstalten Internierter unter dem Kommando am Tropf hängender Sterbender ihre Blutblütenblätter abhustend den Präsidentenpalast, die Ministerien und die Häfen einnehmen würden, spanische Grafen im Fort von Caxias festsetzen oder sie auf steuerlosen, aufs Geratewohl in einen Ozean von Tritonen geworfenen Schonern auftürmen sollten.
    Das Sanatorium erlebte die unmittelbar vorangehenden Wochen in der Stille schlechter Anzeichen, die den Grippen vorangeht und die Hunde aufscheucht, deren Pupillen sich im Angstschweiß lila färben. Die Schwindsucht raffte ganze Pavillons dahin, und die Leichname lagen unter numerierten Decken und warteten nicht nur auf den Marmortischen zum Verstorbenenvierteilen auf die Scheren der Autopsie, sondern auf den Stufen, die zum Keller hinunterführen, auf den abgewetzten Teppichen des Speisesaales, im Raum für die Beine der Schreibtische der Doktoren und hinter den Küchenherden, von den Briketts der Öfen gekrönt, zusammen mit den Zeitungen und den Küchenschaben. Einige Krankenpfleger und Ärzte verbargen bereits die beginnenden Rachenentzündungen hinter der Handfläche und erschienen mit den Augenrändern schlecht geschlafener, von der Pein des Fiebers gequälter Nächte. Und dennoch setzte der Flötist seine unerschrockenen Konzerte trotz des welken Glanzes des Fernsehers weiter fort, interpretierte Boleros mit einer Heftigkeit, die das Publikum zu Tränen rührte, das in Reagenzgläser sabberte, während dort draußen die Windböen des Septembers die Bäume trockneten und die beinahe herbstlichen Nächte mit dem gelben Staub ihrer
Beeren vergoldete. Der Mann namens Luís glaubte aus der dahinfließenden Musik das verschlüsselte Morsen der Anhänger des blonden Jungen herauszuhören, vor allem wenn der Künstler, den die Inspiration vom Gewicht seines irdischen Daseins befreite, sich senkrecht in die Luft in Richtung Decke erhob, die Füße wie Aquariumsfischflossen über den Stühlen des Publikums bewegte, um bei der letzten Note mit der Leichtigkeit eines Zauberers auf den Boden zurückzukehren. Wenn er nach dem Ende der Boleros durch den Park ging, stellte er sich in den Klippen der Ostsee verirrte spanische Karavellen und an den Felsen der Elfenbeinküste aufgelaufene Galeeren ohne Ziel vor, in denen Hunderte von Soldaten mit von wahnsinnigen Stürmen verbeulten Rüstungen vergebens zu den Säumen eines Waldes winkten, an dem sich schreckensstarre Neger ballten.
    An dem Abend, an dem der Musiker sein übliches Repertoire gegen die Nationalhymne austauschte, die er im Pasodoblerhythmus spielte, um die Angestellten auszutricksen, hatten nach den leeren Bänken und dem Geruch verwesten Fleisches auf den Stationen zu urteilen nur noch wenige Siedler die Lungenbazillen überlebt, und mehrere Ärzte hatten das Krankenhaus auf der Suche nach Besserung in den Kliniken der unter den Schluchzern der Kuckucks sich kräuselnden Alpen verlassen. Er machte sich, aufgrund der Pestilenz der Verstorbenen von Übelkeit befallen, bereit, vom Sofa aufzustehen, als der durchsichtige Kerl ihn sanft über die Terrasse mit den Terrakottafliesen zog, die die Wurzeln der Apfelbäume mit einem ungeheuren Auferstehungswillen zerbrachen, und zeigte mit dem kleinen Finger, der sich kaum von der malvenfarbenen Luft
abhob, auf einen Bus mit brennenden Scheinwerfern, der am Tor geparkt stand und auf Tuberkulöse im Schlafanzug wartete, die sich auf Zehenspitzen in den Gebüschen verteilten und versuchten, keinen Lärm in der Stille der Dunkelheit zu machen, in der sie wie Taucher auf die geronnenen Lichter des Wagens zuschlurften.
    Der Bus war ein unglaubliches Vehikel für reiche Amerikaner mit Sitzen, die Friseurstühlen glichen, mit Aircondition, Waschräumen wie im Flugzeug, Kopfhörern für spanische Operetten und für Opern für jeden und Stewardessen in Uniform und Schiffchenmütze, die Milchbrötchen und kleine Gläser Saft servierten. Der Motor arbeitete mit dem unhörbaren Summen statischer Elektrizität, und der Mann namens Luís sah zum ersten Mal das riesige Anstaltsgebäude, das aus aufeinanderliegenden Balkons bestand, von unverständlichen Gartenlauben umgeben und von der halben Apfelsine des Mondes geschmückt war. Er sah die Pavillons im Gewebe der Buchsbäume,
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