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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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bewahrheitete. Aber so wie Präsident Reagan drängte auch das NASA-Management darauf, den Start nicht noch einmal zu verschieben, denn bereits fünfmal hatte der Start verschoben werden müssen – mal spielte das Wetter nicht mit, mal die Technik.
    Obwohl die NASA nach einer sechsstündigen Telefonkonferenz schließlich fast selbst von einem Startaufschub überzeugt war, entschied sich das Management von Thiokol dann seinerseits, seine eigenen Ingenieure zu überstimmen und NASA den Start zu empfehlen, um, wie Mark Hayhurst im britischen Guardian am 23. Januar
2001 vermutete, die NASA als wichtigsten Kunden nicht zu verärgern.
    Eigentliche Ursache des Challenger-Unglücks war ein schadhafter Dichtungsring an einer der seitlichen Feststoffraketen, der durch die Kälte in der Nacht vor dem Start brüchig geworden war. Man kann aber auch sagen, dass es zu der Katastrophe gekommen ist, weil Warnungen von Ingenieuren des Herstellers, denen die Qualität der Dichtungsringe und ihrer Elastizität bei Nachtfrost bekannt waren und die sich wegen der eisigen Temperaturen gegen einen Start ausgesprochen hatten, von der NASA-Führung und dem eigenen Management in den Wind geschlagen wurden.
    Spätere Untersuchungen ergaben, dass die Dichtungsringe nicht zum ersten Mal Probleme bereitet hatten. Bereits bei früheren Missionen waren sie teilweise abgebrannt. Die NASA-Manager sahen dies jedoch positiv, mit der Begründung, sie haben schließlich ja gehalten. Das Motto »Warum soll etwas schiefgehen, wenn es bisher immer gut gegangen ist?«, wurde zur Routine der Raumfahrtagentur. Es ist dies das gleiche Gefühl von Sicherheit, dem Menschen, die in einer Sache große praktische Erfahrung besitzen – beispielsweise Chirurgen oder Kapitäne von Schiffen und Flugzeugen – oftmals vertrauen und damit Unglücke hervorrufen.
    Als Richard Feynman dies hörte, soll er gesagt haben: »Wenn beim russischen Roulette das erste Abdrücken folgenlos bleibt, schützt das doch nicht vor dem zweiten Schuss.« Diesen klugen Satz sollten sich meines Erachtens alle Ingenieure und Manager in allen Hochtechnikbetrieben merken!
    Noch Wochen nach dem Unglück kamen immer neue
erdrückende Beweise für den unverantwortlichen Leichtsinn ans Licht, mit dem bei der Raumfahrtbehörde Risiken in Kauf genommen wurden. Die Vertreter der NASA verkündeten jedoch ständig, dass Sicherheit stets ihr oberstes Ziel gewesen sei.
    Differenzen zwischen dem NASA-Management und den Ingenieuren gab es immer wieder, auch bezüglich der Fehlerrate des Shuttles. Obere Dienstränge behaupteten, dass ein fataler Abbruch einer Mission nur auf einem von hunderttausend Flügen eintrete. Allerdings hätte man eine Million Starts auswerten müssen, um dieser Aussage eine plausible statistische Grundlage zu geben. Konstrukteure des bordeigenen Haupttriebwerks hingegen sagten, dass dies auf einem von 100 bis 200 Flügen passiere, und die US Air Force ging bei ihren Raketen von Fehlerraten von eins zu fünfzig aus. So drängt sich der Verdacht auf, dass eine vorgetäuschte hohe Zuverlässigkeit der Raumfahrzeuge der NASA helfen sollte, an staatliche Gelder leichter heranzukommen.
    Denn die NASA-Manager rechneten sich bereits damals Profite durch das Shuttle-Programm aus. Und sie glaubten, dass die Behörde mit Satellitentransporten schon bald schwarze Zahlen schreiben und vom Gewinn neue Projekte finanzieren könne. Die Weltraumfahrt schien plötzlich nicht mehr viel gefährlicher, als ein Flug von Washington nach München. Viele träumten bereits von Missionen zum Mars und zu den äußeren Planeten.

    Nach erneut jahrelangen routinemäßigen Pendelflügen zur Internationalen Raumstation ISS bestätigte sich dann auf tragische Weise die von Kritikern vorgebrachte Sorge, die NASA habe nichts aus dem Challenger-Unglück gelernt.

    Denn fast genau 17 Jahre später, am 1. Februar 2003, verlor die NASA beim Absturz der Columbia erneut Astronauten. Die Raumfähre barst beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und stürzte mit etwa 20 000 Stundenkilometern aus 60 Kilometern Höhe ab. Alle sieben Crew-Mitglieder, darunter zwei Frauen, starben. Die Ursache war diesmal ein Stück Schaumstoffisolierung, das beim Start vom externen Treibstofftank abgeplatzt war und damit den Hitzeschutz der Fähre beschädigt hatte.
    Die Columbia-Katastrophe erschütterte das glänzende Image der NASA vollends, ebenso wie den Glauben daran, dass Raumflüge so alltäglich wie Flugreisen werden könnten. Die
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