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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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die Welt.
    Es gab relativ wenig Akutopfer, was die Fachleute erstaunte. Einer Publikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Vorfeld zum 20. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe war zu entnehmen, dass es direkt im Umfeld des Reaktors etwa 50 Opfer gab, bei denen die Strahlung nachweislich zum Tode führte. Die Gesamtzahl der Toten infolge der Katastrophe wurde von der WHO
mit 14 000 bis 17 000 beziffert, Atomkraftgegner sprechen dagegen von bis zu 100 000 Toten.
    Von Mai bis November wurde über dem havarierten Reaktor von den sogenannten Liquidatoren in Minutenschichten eine Hülle aus Betonplatten errichtet, der »Tschernobyl-Sarkophag«. Mehrere hunderttausend Menschen – teils freiwillig, teils zwangsrekrutiert – waren hierfür eingesetzt und dabei hoher Strahlung ausgesetzt. Viele erkrankten später, viele starben. 410 000 Kubikmeter Beton und 7000 Tonnen Stahl wurden verwendet, um die Teile des Reaktorkerns, eine geschmolzene Masse aus Uran, Plutonium, Strontium, Cäsium, Grafit und Schutt sowie vermutlich mehrere Tonnen von radioaktivem Staub, provisorisch zu ummanteln.
    Auf einer Greenpeace-Tagung zum 25-jährigen Jahrestag von Tschernobyl warnte der frühere Direktor des Kernkraftwerks, Michail Umanez, vor einem neuen schweren Nuklearunfall an der maroden ukrainischen Anlage. Der damals explodierte Reaktor 4 sei in einem extrem unsicheren Zustand, »die Gefahr, dass die Metall-und Betonkonstruktion einstürzt, erhöht sich mit jedem Tag, weil die Radioaktivität die Materialien zersetze. Es drohe eine neue nukleare Wolke, die auch wieder nach Westeuropa ziehen kann«, warnte der 73-Jährige. Wir sollten also über dem neuen Katastrophenherd in Fukushima den alten und noch immer aktiven in Tschernobyl nicht vergessen!
    Auch 25 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl, die bis dahin als die größte in die Geschichte einging, werden die gesundheitlichen Folgen des Unglücks weiter heftig diskutiert. Das zeigt, wie schwierig es ist, die Gefahr radioaktiver Strahlung objektiv zu bewerten. Entsprechend
weit auseinander liegen die Angaben zu den Todesopfern und Erkrankungen.
    Nach offiziellen Angaben waren in der Ukraine 2,3 Millionen Menschen Opfer radioaktiven Niederschlags, was in zahlreichen Fällen zu Krebserkrankungen führte. Die ukrainischen Behörden schätzen die Zahl der Opfer der Katastrophe in der Ukraine, Weißrussland und Russland auf insgesamt fünf Millionen. Ein Großteil von ihnen lebt noch immer in den verseuchten Gebieten. Die angrenzende Region um den Reaktor ist dagegen bis heute Sperrgebiet.
    Auf dem Internationalen IPPNW-Ärzte-Kongress »25 Jahre Folgen der Tschernobyl-Katastrophe« präsentierte Alexej Jablokow, Präsident des Zentrums für Russische Umweltpolitik, dramatische Zahlen. Seinen Hochrechnungen zufolge, müsste man für alle Gebiete, die überhaupt betroffen waren oder sind, von 1,44 Millionen (!) Todesopfern ausgehen.
    Gerade die Diskussion über die Zahlen von Krankheitsfällen und Todesopfern zeigt, wie unterschiedlich die Folgen der Katastrophe gewertet und kommuniziert werden. Auf der einen Seite stehen die Atomkraftgegner, die die Folgen der Strahlung möglicherweise übertrieben darstellen und manche Daten auf eine Art interpretieren, die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht immer gerecht wird. Auf der anderen Seite sehen sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die internationale Atomenergieagentur (IAEA) dem Vorwurf ausgesetzt, die Folgen des Unfalls und damit die Gefahren radioaktiver Strahlung zu untertreiben oder sogar zu verschleiern.
    Welcher Seite man auch immer recht geben und welche Zahlen man glauben will, so ist doch unbestreitbar, dass
die Katastrophe von Tschernobyl vielen Menschen Krankheit, Tod oder Elend gebracht hat, und dass viele ihre Heimat für immer verloren haben. Auch ohne weitere Studien und Zahlen sollten wir also das, was in Tschernobyl geschehen ist, verstehen und daraus lernen. Aber kann man aus dieser Katastrophe überhaupt etwas lernen?
    Der Wissenschaftsjournalist Markus Schulte von Drach sagte in der Süddeutsche Zeitung zu den Lehren, die man für Fukushima aus Harrisburg, wo es im März 1979 im Kernkraftwerk Three Mile Island zu einer partiellen Kernschmelze gekommen war, und aus Tschernobyl ziehen kann, Folgendes: »Um die Anlage in einen für die Umwelt sicheren Zustand zu bringen, um Wasser und anderes Material zu dekontaminieren, um die Brennelemente zu bergen und zu entsorgen, werden die Experten etliche
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