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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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werden.
    Verbesserungen menschlicher Lebensbedingungen mit Hilfe von Wissenschaft und Technik werden generell als
Fortschritt begriffen. Was aber in einer Gesellschaft konkret als Verbesserungen verstanden wird, hängt vom allgemeinen Konsens über gemeinschaftliche Werte wie Wohlstand und Sicherheit, Gesundheit, Persönlichkeitsentfaltung und Freiheit ab. Dass diese Werte in einer offenen Gesellschaft einem ständigen Wandel unterliegen, müssen wir als unabänderlich akzeptieren.
    Technologie und Technik haben unser materielles Leben verändert, aber auch die Kultur, den Lebensstil, die Wertevorstellungen, Ansprüche und Empfindungen. Die Zunahme der Probleme in den Industrienationen ist nicht nur eine Konsequenz der Technik selbst, sondern weithin auch die Folge des enormen Fortschritts und Wohlstands, den sie gebracht hat. Beide bestehen darin, dass wir es uns heute leisten können, über Mängel und Probleme nachzusinnen, über die unsere Vorfahren im täglichen Lebenskampf gar nicht nachdenken konnten. Empfindlichkeiten und Sensibilitäten können sich also nur die leisten, deren tägliches Leben nicht ständig von Hunger und Tod bedroht ist.
    Der frühmittelalterliche christliche Denker Thomas von Aquin hat gesagt: »Tugend kann sich erst dann entfalten, wenn der Hunger verschwunden ist.« Bertolt Brecht hat es bekanntlich drastischer formuliert: »Erst kommt das Fressen, dann die Moral.«
    Was beide nicht erlebt haben, sehen wir heute. Wenn die elementaren Lebensbedürfnisse befriedigt sind, kommt die Maßlosigkeit. Und mit der Maßlosigkeit verkommt die Moral. Brauchen wir also eine neue Lebenshaltung?

Nachwort
    Die primären Lebensbedürfnisse in der heutigen Industriegesellschaft sind befriedigt, nun sollten höhere Dinge Priorität erhalten. So wie es Pflichten bei den Verantwortlichen gibt, so sollte es Tugenden auch bei uns Bürgern geben. Wenn ich aber an unser Sozialverhalten oder unseren Umgang mit der Umwelt denke, dann meine ich schon, dass es heute auch um Änderungen des persönlichen Verhaltens gehen muss, bei jedem von uns und an jedem Tag.
    Hans Joachim Schellnhuber fordert in einem Der Spiegel -Interview einen Gesellschaftsvertrag für das 21. Jahrhundert, der den gemeinsamen Willen zu nachhaltigen Änderungen zum Inhalt hat. Unter anderem wünscht er sich, dass der Energieverbrauch bei uns auf einem sinnvollen Niveau stabilisiert wird. Den Gürtel enger zu schnallen ist aber nicht populär. Schellnhuber weiß das und er sagt: »Meine Selbst- und Alltagserfahrung zeigt, dass Bequemlichkeit und Ignoranz die größten Charaktermängel des Menschen sind. Das ist eine potenziell tödliche Mixtur.« Und Kurt Tucholsky hat den Zustand der menschlichen Moral in zwei englischen Sätzen zusammengefasst: »We ought to. But we don’t.«

    Angesichts der grenzenlosen Geldgier der Reichsten und der wachsenden Not der Ärmsten ist Ungerechtigkeit zu einem weltweit verbreiteten Gefühl geworden. Wassermangel,
Hunger, Krankheit und Verelendung sind die täglichen Sorgen von Abermillionen Menschen.
    Aber auch in den reichen Industrienationen gibt es Not und soziale Ungerechtigkeit, gehen immer mehr Bürger deswegen auf die Straßen, vor allem junge Menschen. Auch wenn bei uns die Situation wesentlich besser ist als in den meisten anderen EU-Ländern, auch hier ist der stille Protest gegen orientierungslose Politik, handlungsunfähige Parteien und trostlose Politikerfiguren ähnlich groß wie in anderen Ländern. Der Grund?
    Ich zitiere noch einmal Botho Strauß: »Die Entscheidungsträger haben sich daran gewöhnt, zu ihm (dem Volk) durch Gesetze und Regelwerke zu sprechen. Ein Wort, das vielleicht allgemein aufhorchen ließe, wurde von einem Politiker seit Langem nicht vernommen. Die Autorität, die er vielleicht kraft seines Amtes noch besitzt, leidet in der Regel, sobald er den Mund aufmacht. Jedermann ist des Gewäschs überdrüssig. Man will nie wieder etwas von einem Schritt in die richtige Richtung hören.«
    Vor allem die Jugend, die besonders sensibel für falsche Töne ist, kann mit den Worthülsen und Sprechblasen unserer Politiker nichts anfangen. Laut der Shell-Jugendstudie lag die Wahlbeteiligung der 18- bis 25-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren lediglich bei knapp über 50 Prozent, mit sinkender Tendenz.
    Ich denke aber auch an die Dinge, über die bei uns nicht gesprochen wird. Die weggeschwiegen werden. Kinderarmut in Deutschland ist eine Schande! Rentner in Deutschland, die Flaschen
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