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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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ethische Probleme zu lösen, die aus ihrer Arbeit resultierten.
    Ob Technik zum Guten oder Bösen eingesetzt wird, ist ausschließlich Sache des Menschen. Da also bei der Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse lebenserhaltender Nutzen und todbringender Schaden unabänderlich miteinander verknüpft sind, müssen auch die Auswirkungen der Forschung von Anfang an Gegenstand des wissenschaftlichen Denkens sein.
    Sollte man nun die Nutzung bestimmter Forschungsergebnisse erst dann verbieten, wenn die Forschung deren Gefahren erkannt und definiert hat? Über diese Frage bestehen unter Wissenschaftlern erhebliche Meinungsdifferenzen, aber auch unter Politikern und in der Bevölkerung. Wie immer man selbst zu diesem Problem stehen mag, klarmachen müssen wir uns dies: Alles, was von Forschern erdacht und gefunden wird, das wird realisiert, auch gegen Gesetze und Ethikrichtlinien. Ob immer zu unserem Nutzen ist ein andere Frage.
    Denn sind Forschungsergebnisse erst einmal erzielt, so lassen sie sich auch anwenden und nutzen, manchmal in großem Maß. Die hierbei möglicherweise auftretenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen sind häufig nicht früh genug erkennbar oder, wenn sie erkannt werden, nicht immer abwendbar oder werden ganz einfach ignoriert.
    Es wird also sehr darauf ankommen, dass die Wissenschaftler, die den Fortschritt erdenken und seine mögliche
Richtung allein beurteilen können, sowie die Ingenieure und Techniker, die Entwicklungsprozesse hinsichtlich ihrer Folgen in gewissem Umfang abzuschätzen vermögen, auch die Vernunft haben, Grenzen zu respektieren und das Maß nicht zu verlieren.
    Der Philosoph Jürgen Mittelstraß allerdings meinte schon Mitte der 1980er-Jahre, dass es »mit einem derartigen Maß heute nicht zum Besten steht. Tatsächlich werden die Wege der Forschung und ihrer Anwendung schmaler, unübersichtlicher, gefährlicher. Indizien dafür sind, dass zunehmend Wissenschaft und Recht problematisch interferieren und sich mit dem wissenschaftlichen Wissen auch unsere Lebensformen in unübersichtlicher Weise verändern. Die innere Maßlosigkeit der Wissenschaft erfasst auch ihre Folgen.« Daran hat sich wohl nichts geändert. Laufen uns also die Folgen davon?

    Früher war in Zusammenhang mit Forschung von ethischen Problemen so gut wie keine Rede, die Mehrzahl der Forscher war der Meinung, dass sich ihre Arbeit auch in moralischer Hinsicht rechtfertigen lasse. Heute stellt die Öffentlichkeit immer wieder die Frage, ob sie alles dürfen, was sie können.
    Seit Mitte der 1970er-Jahre ist die ethische Reflexion der Forschung deutlich vorangekommen, ausgehend von den USA, wo es große, den Biowissenschaften zugeordnete ethische Institute gibt. Ethikkommissionen sind ursprünglich im Medizinbereich entstanden und hatten zum Ziel, Forschung, die an Lebewesen durchgeführt wird, aus ethischer, rechtlicher und sozialer Sicht zu beurteilen und das Individuum während klinischer Forschung vor möglichen schädigenden Folgen zu schützen.

    Heute setzt die Politik zunehmend Ethikkommissionen ein, um grundsätzliche, die Gemeinschaft betreffende moralisch-ethische Fragen prüfen zu lassen, bei uns zuletzt Fragen der politisch und ethisch umstrittenen Präimplantationsdiagnostik sowie des Atomausstiegs.
    Wenn wir über Wissenschaft und Ethik nachdenken, so erhebt sich natürlich die Frage, ob eine eigene Ethik des Wissenschaftlers und Technikers überhaupt besteht. Ich stimme Jürgen Mittelstraß zu, wenn er sagt, »dass es eine derartige Ethik nicht gibt und auch gar nicht geben kann. Ethik ist keine Sache von Berufsständen, sie ist vielmehr immer Bürgerethik. Sie lässt sich daher auch nicht gesellschaftlich teilen – etwa in eine wissenschaftliche Ethik als Sonderethik des Wissenschaftlers auf der einen Seite, und eine nichtwissenschaftliche Ethik als Standardethik der Gesellschaft auf der anderen.«
    Heute muss die Forschung eingestehen, dass die großen Probleme unserer Zeit und kommender Generationen nicht etwa nur durch Politik und Wirtschaft, sondern auch durch Wissenschaft und Technik verursacht wurden. Und dass sie uns ethische Probleme bereitet haben, die zu lösen sie selbst nicht imstande sind.
    Die Forderung, dass die Konsequenzen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auch eine neue Verantwortung des Forschers gegenüber der Gesellschaft notwendig machen, ist also verständlich. Denn die Größe von Risiken, die Reichweite ihrer Folgen und die
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