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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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Irreversibilität von Schäden über oft unvorstellbare Zeiträume hinweg sind nicht mehr mit früher vergleichbar. Was lediglich eine schreckliche Vision einmal war, ist mit dem Reaktorunglück von Tschernobyl erstmalig Realität geworden: Menschen sind nicht nur erkrankt und gestorben,
nach unserem heutigen Kenntnisstand ist eine ganze Region der Ukraine für ein Jahrtausend unbewohnbar geworden. Und in Fukushima sind die Langzeitfolgen überhaupt noch nicht absehbar. Ein halbes Jahr nach der Katastrophe kündigte die Regierung in Tokio Ausgaben von 220 Mrd. Yen (rund 2 Mrd. Euro) an, um die Umgebung Fukushimas zu dekontaminieren.

    Wenn also menschliche Hybris, Sorglosigkeit und Gier oder auch nur ein Irrtum genügen, um Hunderttausende zu schädigen oder töten und Lebensraum für viele Jahrhunderte zu zerstören, dann ist der Mensch mit einer solchen Situation moralisch überfordert, die traditionellen wissenschaftlichen Verhaltensregeln den Mitmenschen gegenüber reichen nicht mehr aus.
    Und dies kann nichts anderes bedeuten, als dass Forschung und Wissenschaft in Zukunft nicht bloß die Frage zu prüfen haben, ob die Realisierung einer Erfindung machbar ist, wie das Produkt aussehen könnte und ob seine Vermarktung ökonomisch sinnvoll ist. Sie müssen sich auch fragen, was aus dem Produkt wird, wenn es der Konsument nicht mehr benötigt. Metalle kann man verschrotten, aber was wird aus den anorganischen Kunststoffen? Die Leistung von Motoren kann gesteigert, aber können die entstehenden Schadstoffe auch reduziert werden? Atome kann man spalten und Energie daraus gewinnen, aber was wird aus den Reaktoren, wenn sie ihren Dienst getan haben? Ausgediente Brennelemente und abgereichertes Uran kann man zwischenlagern, aber wie wird das Problem der endgültigen Entsorgung gelöst?
    Risiken und Zwischenfälle müssen im Sicherheitsdenken in Zukunft eine noch wesentlich größere Rolle spielen
als bisher. Wir müssen davon ausgehen, dass sie geschehen, so selten dies auch sein mag. Immer müssen wir uns vorstellen, was passiert, wenn etwas passiert.

    Vergangenes Jahr erhielt ich die Einladung, auf einer Publikumsveranstaltung, die den Nutzen der Stammzellenforschung für die Medizin zum Gegenstand hatte, über die mit ihr verbundenen Risiken zu sprechen. Da ich kein Stammzellenforscher bin und folglich weder die Chancen noch die Risiken dieser Technologie zu beurteilen vermag, lehnte ich ab. Aber ich stellte doch die Frage, warum die Stammzellenforscher denn nicht selbst über die Risiken ihrer Arbeit sprechen, da sie es doch sind, die diese am besten beurteilen können. Die Antwort war, dass sich die Forscher bisher vor allem mit dem Nutzen, weniger mit ihren Risiken beschäftigt haben. Nun ja!
    Die Forderung, die Folgen technischen Handelns von vornherein in die Überlegungen mit einzubeziehen, ist sicher richtig, garantiert aber nicht, dass auch immer die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Welchen Grundsatz soll der Forscher beachten, welchen Gesetzen soll er folgen? Der Münchner Sozialethiker Wilhelm Korff hat den Grundsatz formuliert: »Wenn ein an sich gutes Ziel nicht ohne Nebenfolge zu erreichen ist, so darf das als mögliche Nebenfolge eintretende Übel niemals größer sein als das Übel, das eintreten würde, wenn die Handlung unterbliebe.«
    Dieser Grundsatz, denke ich, erlaubt vernünftiges Handeln, denn er bedeutet nichts anderes, als dass Chancen und Risiken – und damit auch Nutzen und Schaden – in einem für die Gemeinschaft vertretbaren Verhältnis stehen müssen.

    Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass jede Innovation ein Wagnis und jedes Wagnis ein Schritt ins Unbekannte ist, zu dem neben den Chancen auch Risiken gehören. Immer wieder bedarf es der Bereitschaft, in vernünftiger Weise zu wagen. Es muss nicht immer das Richtige sein, worüber man sich als Gesellschaft geeinigt hat, darin liegt das Risiko jeden menschlichen Handelns. Aber für die Gesellschaft ist es besser, wenn alle das Risiko gemeinsamen Irrens tragen, als wenn sie das Opfer des Irrtums Einzelner wird.
    Auch wenn niemand weiß, wie schnell und in welche Richtung sich unser Wissen verändern wird, so können wir doch davon ausgehen, dass die Menschen bereits nach einem weiteren Jahrzehnt wesentlich mehr wissen als wir heute. Die einen Probleme werden andauern, andere sich möglicherweise gar nicht mehr stellen.
    Wenn man sich also angesichts eines Ereignissen wie Fukushima fragt, was wir tun oder auch
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